Mehr Sicherheit für ADHS-Patienten
Medikamenten-Ausweis nach § 4 Abs. 3 BtMG
Während ADHS beim Menschen eine bekannte psychische Störung ist, stellen sich beispielsweise Halter scheinbar überaktiver oder schwer erziehbarer Haustiere die Frage, ob es auch etwas wie eine ADHS bei Tieren gibt. Dies würde voraussetzen, dass sich die Symptomatik der ADHS beim Menschen in gleicher Weise bei Tieren zeigt und darüber hinaus auch auf dieselben Ursachen zurückzuführen ist. Psychiatrische Störungen wie ADHS, wie sie beim Menschen vorkommen, lassen sich jedoch nicht unmittelbar auf Tiere übertragen.
Dennoch können sich bei Tieren phänotypische Ähnlichkeiten zur ADHS beim Menschen zeigen. Naturgemäß sind diese bei sogenannten Tiermodellen, wie sie für wissenschaftliche Untersuchungen verwendet werden, für das Symptom Hyperaktivität theoretisch am besten belegt. Bei den dafür verwendeten Tiermodellen handelt es sich in der Regel um bestimmte Ratten-Arten.[1]
Darüber hinaus können hyperkinetische Störungen auch bei Haustieren beobachtet und behandelt werden, wobei auch Psychostimulanzien wie Methylphenidat zur Anwendung kommen können. Bei einer hyperkinetischen Störung, wie sie etwa bei Hunden vorkommen kann, handelt es sich jedoch nur um ein ätiologisch und symptomatisch ähnliches Syndrom der ADHS, wie sie bei Menschen nachgewiesen ist.
Verschiedene Untersuchungen haben deutlich machen können, dass sich auf diversen Ebenen auch beim Tier Ähnlichkeiten zur ADHS beim Menschen nachweisen lassen. Diese beziehen sich jedoch noch überwiegend auf die Hyperaktivität.[2]
Die Tiere - in der Regel bestimmte Ratten-Arten (SHR, NHE, DAT-KO-Maus, SNAP-25-defizitäre Coloboma-Maus und andere)[3] - werden dabei bestimmten chemischen oder Umweltbedingungen ausgesetzt, um ADHS-ähnliche Bedingungen beim Tier zu erreichen. Zu den chemischen Möglichkeiten zählt etwa prä- oder frühes postnatales Behandeln mit Nikotin, Ethanol, Polychlorierte Biphenyle (Chlorverbindungen) oder Oxidopamin. Zu den Umweltanpassungen zählen das Hervorrufen eines Sauerstoffmangels sowie frühe soziale Isolation.
Die Symptomatologie scheint bei der „spontaneous hypertensive rat“ (SHR) jener der menschlichen ADHS am nächsten zu kommen.[4] Bei der SHR zeigten sich zu den Ähnlichkeiten auf Symptomebene auch subkortikale Dysregulationen im Dopaminmetabolismus, wie sie auch bei der menschlichen ADHS vermutet werden.
Auch auf genetischer Ebene lassen sich an Tiermodellen Merkmale nachweisen, die darauf schließen lassen, dass synaptische Prozesse an den Verhaltensänderungen der ADHS beteiligt sein könnten. Beispielsweise wurde anhand der SNAP-25-defizitären Coloboma-Maus ein möglicher Zusammenhang zwischen ADHS und dem SNAP-25-Gen sowie dem für die synaptische Vesikelfusion und die Neurotransmitterfreisetzung verantwortlichen Protein deutlich.[5][6] Bei der heterozygoten Maus wurde darüber hinaus eine Linderung der Hyperaktivität nach Gabe von Dextroamphetamin (Adderall) festgestellt.
Eine Übersichtsarbeit von Russell[7] aus 2011 zeigt auf, dass sich die deutlichsten Funde bei tierexperimentellen Arbeiten hinsichtlich ADHS auf die Zusammenhänge von Neurotransmitterstörungen (dopaminerg, noradrenerg, serotonerg) mit der Störung beziehen.[8]
Hyperkinetische Störungen können auch bei Hunden beobachtet werden, wie verschiedene Untersuchungen zeigen konnten.[9][10][11] In den meisten Fällen ist ein bei Hunden als „Hyperaktivität“ wahrgenommenes Verhalten ein rassetypisches, altersbedingtes oder durch Bewegungsmangel, Mangelernährung und/oder ungünstiges oder nicht erfolgtes Training induziertes Verhalten.[12] In den wenigsten Fällen handelt es sich um eine neurophysiologisch bedingte Störung.
Campbell definierte im Rahmen seiner Forschungsarbeiten an hyperkinetischen Hunden auf Grundlage seiner Beobachtungen Diagnosekriterien für die (durch eine mutmaßliche Neurotransmitter-Dysfunktion bedingte) hyperkinetische Störung beim Hund:[13]
Auf physiologischer Seite zeigen sich:
Auf Verhaltensebene zeigt sich der Hund:
Die Diagnose hyperkinetischer Störungen erfolgt sowohl durch Fragebögen, welche durch den Halter auszufüllen sind, sowie durch Verhaltensbeobachtung in der tierärztlichen Praxis. Darüber hinaus führen manche Tierärzte auch ex juvantibus Untersuchungen mit Methylphenidat, aber auch Tranquilizern wie Acepromazin oder Amphetaminen durch. Zeigt der Hund sehr deutliche Verhaltensänderungen unmittelbar nach Gabe der Medikamente, wird von einer hyperkinetischen Störung ausgegangen,[15] da sich laut Luescher bei Hunden ohne hyperkinetische Störung regelmäßig gegenteilige Effekte zeigen.[16]
Die Behandlung der hyperkinetischen Störung setzt sich typischerweise aus einem multimodalen Vorgehen zusammen, das sich je nach Indikation aus Training und ggf. mittlerweile auch Medikamentengabe zusammensetzt.[17] Reagiert der Hund positiv auf das Medikament, sollte dieses nach Corson so lange wie notwendig in einer möglichst niedrigen Dosis (maximal 2mg/kg q8-12 h)[18] beibehalten werden. Oft kann das Medikament nach einiger Zeit, wenn der Hund durch das Training erfolgreich auf das erwünschte Verhalten konditioniert ist, wieder abgesetzt werden.[19]