Mehr Sicherheit für ADHS-Patienten
Medikamenten-Ausweis nach § 4 Abs. 3 BtMG
Diätetische Maßnahmen | |
---|---|
![]() | |
Indikation | Symptomatische ADHS-Therapie |
Wirksamkeit | nicht ausreichend belegt |
Wirkung | unbekannt |
Der Zusammenhang zwischen einem Einfluss der Ernährung auf die Entstehung von ADHS bzw. auf die Verstärkung oder Linderung von ADHS-Symptomen konnte bislang noch nicht überzeugend nachgewiesen werden, obwohl verschiedene Untersuchungen vorliegen, die Hinweise auf eine positive Beinflussbarkeit der Symptomatik mit Hilfe bestimmter Diäten liefern. Bislang liegen aber noch keine hinreichend konsistenten Ergebnisse vor, die eine gute Einschätzung des Einflusses der Ernährung auf die ADHS ermöglichen.[1] Laut Bundesärztekammer sind diätetische Maßnahmen bei 1-2 % der Kinder mit ADHS-Symptomatik hilfreich.
Bei der Oligoantigen-Diät (auch: Eliminationsdiät) soll auf bestimmte in Nahrungsmitteln enthaltene Stoffe, die möglicherweise Allergien auslösen können, verzichtet werden. Insbesondere sollen im Rahmen dieser Diät Weizen, Farb- und Konservierungsstoffe, Fisch, Eier, Milch und Erdnüsse vermieden werden. Genauere Wirkmechanismen zur oligoantigenen Diät sind bislang nicht bekannt.
Eine Studie von Pelsser et al. aus dem Jahr 2011 wurde die Wirkung der oligoantigenen Diät bei 41 Kindern mit ADHS-Diagnose untersucht.[2] Bei 32 Kindern konnte zum Studienende auf der ADHS Rating-Scale eine Besserung der ADHS-Symptome ausgemacht werden. Die Beurteilung erfolgte durch die Eltern und Lehrer. Da sowohl Eltern als auch Lehrer jedoch über die Ernährung der betreffenden Schüler Bescheid wussten, ist ein gewisser Placeboeffekt nicht auszuschließen.
Die Dauer der probeweisen Auslassung der betreffenden Nahrungsmittel bzw. Zusatzstoffe beträgt in der Regel drei bis vier Wochen und sollte optimaler Weise durch einen Diätassistenten begleitet werden, insbesondere um einer Mangelernährung entgegenzuwirken. Wichtig ist zudem, auf eine konsequente Durchführung zu achten, da sonst der Therapieerfolg gefährdet sein kann. Zur genaueren abschließenden Bestimmung der Diätwirkung sollten nach Beendigung der Probephase die Werte der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen von vor Diätbeginn und nach Abschluss verglichen werden. Ist eine bedeutende Verbesserung festzustellen, können im Anschluss für jeweils fünf Tage wieder normale Mengen der vorher ausgelassenen Nahrungsmittel einzeln eingeführt werden. So können ausschlussweise Nahrungsmittel identifiziert werden, bei denen die Symptomatik verstärkt auftritt.
Zu beachten ist, dass die oligoantigene Diät eine erhebliche körperliche, psychische sowie soziale Belastung darstellen kann. Deshalb sollte auch vor dem Hintergrund der bislang unzureichenden Studienlange sorgfältig abgewägt werden, ob ein Diätversuch eingeleitet werden soll.
Eine Doppelblindstudie von Arnold et al. untersuchte bei insgesamt 52 Kindern mit ADHS-Diagnose, ob die Gabe von Zink als Glycinat die ADHS-Symptomatik beeinflussen kann. Nach acht Wochen wurde die Medikation beider Gruppen durch nach Wirkung titriertes D-Amphetamin ergänzt. Die Autoren stellen fest, dass Zink alleine im Vergleich zu Placebo keinen Einfluss auf die Symptomatik hat. In Kombination mit Amphetamin konnte die D-Amphetamindosis im Vergleich zur Placebogruppe jedoch um 37 % reduziert werden.[3] Die isolierte Gabe von Zink erweist sich daher nicht als empfehlenswert, da keine Verbesserung der Symptomatik zu erwarten ist.
ADHS und Magnesiummangel können eine teilweise überlappende Symptomatik haben.[4] Wird bei der ADHS-Diagnose gleichzeitig ein Magnesiummangel nachgewiesen, kann eine Therapie mit Magnesium die Symptome verbessern.[5]
Langkettige ungesättigte Fettsäuren stehen bereits seit den 1980er Jahren im Verdacht, auch bei der ADHS beteiligt zu sein. In mehreren randomisierten, doppelblinden sowie placebokontrollierten Studien wurde die Hypothese überprüft, dass eine Supplementtion mit langkettigen ungesättigten Fettsäuren zur Besserung von ADHS-Symptomen beitragen könnte. Da die Untersuchungen aufgrund sehr unterschiedlicher Ergebnisse, durchweg geringer Patientenzahlen und unterschiedlicher Durchführungen jedoch in ihrer Aussagekraft eingeschränkt sind, lassen sich keine zuverlässigen Aussagen über die Wirksamkeit treffen.[6] So konnten in Studien von Voigt und Hirayama nach einer zweimonatigen Behandlung mit Omega-3-Fettsäuren (DHA und EPA) keine Besserungen der ADHS-Symptomatik festgestellt werden. Eine Studie von Richardson aus 2002 zeigt jedoch signifikante Verbesserungen der Symptomatik nach einer drei- bis sechsmonatigen Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren auf. Die Untersuchung basiert jedoch auf Daten von Patienten im Kinder- und Jugendalter, von denen etwa ein Drittel nach Lehrerbeurteilung ADHS-Symptome zeigten und zwei Drittel nach ADHS-DSM-IV-Kriterien lediglich über dem Bevölkerungsdurchschnitt lagen.
Angesichts der genannten Studienlage leitet sich aktuell keine Behandlungsempfehlung für langkettige ungesättigte Fettsäuren bei ADHS ab, obwohl eine Wirkmöglichkeit theoretisch gegeben ist.
Hauptartikel: ADHS und Fluoride
Eine Metastudie der Harvard School of Public Health und der Icahn School of Medicine aus dem Jahr 2014 kommt zu dem Schluss, dass Fluoride ab einer Konzentration von 0,9 und 11 mg/L im Trinkwasser neben anderen chemischen Stoffen möglicherweise unmittelbar an der Entstehung von ADHS und anderen benachbarten neurologischen Störungen, wie Autismus-Spektrum-Störungen und Legasthenie, beteiligt sein könnten.[7] So sollen außerdem die IQ der Kinder um etwa 7 Punkte niedriger liegen als bei Kindern, die in Gegenden mit geringerer Fluoridkonzentration (< 0,9 mg/L) leben. Die im Rahmen der Studie getroffenen Folgerungen wurden vornehmlich von alternativen Medien im Internet aufgegriffen.[8][9] Kritiker wie der Universitätsprofessor David Coggon von der University of Southhampton sehen jedoch signifikante Schwachstellen sowohl in der durchgeführten Metastudie, als auch in vielen der 27 vornehmlich aus China stammenden Untersuchungen selbst, die für die Erstellung der Metastudie herangezogen wurden. Auch seien die von den Autoren gezogenen Schlüsse nicht überprüfbar und hätten eher spekulativen Charakter.[10]
Zu Beginn der 1970er Jahre stellte der kalifornische Allergologe Benjamin Feingold erstmals die These auf, dass bestimmte natürliche Farbstoffe die tatsächliche Ursache von Hyperaktivität und kindlicher Lernschwäche seien. Laut Feingold sollen mit Hilfe der von ihm konzipierten Diät bis zu 50 % der Fälle eine signifikante Verbesserung der Symptome erreichen. Eine klinische Studie von Wender aus dem Jahr 1986 zeigte jedoch auf, dass lediglich 1 % der von ADHS betroffenen Kinder während der Diät eine Verbesserung der Symptomatik erfuhren.[11]
Hauptartikel: Mikronährstoffe
Es existieren keine Hinweise, die bei ADHS-Patienten ein krankheitsspezifisches Muster an Mikronährstoffdefiziten aufzeigen.[12] Bestimmte, einzelne Symptome, die der ADHS oder Komorbiditäten zugeschrieben werden (zum Beispiel Antriebslogiskeit, Müdigkeit), können im Einzelfall jedoch mit einem Nährstoffmangel konfundiert sein, oder in seltenen Fällen sogar in diesem begründet liegen. Im Zweifel kann mittels einer Labordiagnostik bestimmt werden, ob und welche Mikronährstoffe fehlen. Im Fall eines durch Laborwerte nachgewiesenen Nährstoffmangels ist dann eine gezielte Supplementation möglich und angezeigt.
Verschiedene Studien an Kindern mit ADHS fanden Vorteile von Vitamin D als Ergänzung zur Medikation mit Stimulantien.[13][14][15] Eine placebokontrollierte Studie an Kindern von 2 bis 18 Jahren fand Verbesserungen der Aufmerksamkeit bei allen D3-Empfängern und von Hyperaktivität und ADHS-Gesamtscore bei ADHS-Betroffenen mit niedrigen D3-Blutwerten.[16] Eine Studie fand Hinweise auf verringerte Vitamin-D-Rezeptoren bei ADHS.[17]
Neuere Untersuchungen weisen auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen ADHS und Übergewicht hin. Siehe Artikel: ADHS und Übergewicht.
Die Wirksamkeit von Diäten auf die ADHS ist nicht abschließend geklärt. Diätetische Maßnahmen können insbesondere bei schwerer Ausprägung nicht als alternative zu medikamentösen Therapien angesehen werden und bergen grundsätzlich die Gefahr einer Mangelernährung, die auch die ADHS-Symptomatik weiter negativ beeinflussen kann. Russell Barkley warnt davor, die alternative Ernährungstherapie als zuverlässige Behandlungsoption misszuverstehen, da ein Zusammenhang zwischen ADHS und biopsychosozialen Faktoren als erwiesen gilt und Kindern und Jugendlichen ein Fokus auf bislang unbewiesene Ursachenmöglichkeiten den Zugang zu wirksamen Therapien verwehren könnte.[18]