ADxS.org (Webprojekt)
| ADXS.org | |
|---|---|
| Motto | Das AD(H)S-Kompendium |
| Betreiber | ADxS e.V. (Harald Brennecke) |
| Erschienen | 2017 |
| Status | aktiv |
adxs.org (Eigenschreibweise: ADxS.org, kurz: ADxS) ist eine Website zum Thema ADHS, die vom gemeinnützigen Verein ADxS e.V. bzw. dem Karlsruher Rechtsanwalt Harald Brennecke betrieben wird (dort auftretend als Ulrich Brennecke). Inhalt des Projekts ist der Betrieb einer privaten Wissensdatenbank sowie ein Online-Forum.[1]
Ziele
Zu den erklärten Zielen des Projektes zählen (Reihenfolge übernommen):[2]
- eine Betreuung durch einen wissenschaftlichen Beirat
- eine Öffnung für Fachbeiträge weiterer Autoren
- eine Öffnung für Darstellungen abweichender Meinungen von Fachautoren, die als solche gekennzeichnet und begründet sind
- eine Einbeziehung einer Vielzahl an Wahrnehmungsberichten von Betroffenen.
Diskussionsforum
Zum Angebot des Portals zählt seit 2019 ein Diskussionsforum.
Online-Tests
ADxS.org bietet mehrere Online-Selbsttests an, welche Hinweise auf ADHS und andere psychiatrische Störungen geben sollen. Darunter befinden sich auch wissenschaftlich bislang nicht gesicherte Konstrukte wie Sluggish Cognitive Tempo (SCT). Die Tests haben keinen klinischen Aussagewert, da sie ohne wissenschaftliche Fundierung sind (siehe auch: Kritik).
Weitere Angebote
- ADxS.org führt eine Adressliste von rund 1500 Ärzten und Therapeuten in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dem Gebiet der ADHS, aus der die um eine Postleitzahl räumlich nächstliegenden per E-Mail angefragt werden können.
- ADxS.org bietet im Forum eine Eindosierungshilfetabelle im Excelformat, die dabei unterstützen soll, die Medikamenteneinnahme (z.B. Dosierung) und Einflüsse des Monatszyklus, von Sport oder anderen Ereignissen in Relation zur Symptomentwicklung sichtbarer zu machen.[3] Die Fundierung ist unklar.
Besonderheiten
- Von Betreiberseite besteht ein besonderes Interesse an der Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen Stress und ADHS.[4]
- Ein weiteres in der ADHS-Fachliteratur selten zu findendes Thema behandelt die Verbindung zwischen Immunsystem und ADHS.
- ADxS.org macht durchgängig Gebrauch des klinisch und wissenschaftlich ungebräuchlichen und nomenklatorisch inkorrekten Akronyms ‘‘AD(H)S‘‘ für die Gesamtheit aller Subtypen, während der überwiegend hyperaktive Subtyp dort mit ADHS bezeichnet wird.
Finanzierung
Das Projekt ist spendenfinanziert. Nach Angaben des Betreibers sollen sich die jährlichen Kosten des Projekts auf 88.500 € (2025) belaufen.[5] Es handele sich um technische Betriebskosten sowie Aufwände zur Verlegung eigener (allerdings dennoch kostenpflichtiger) Printexemplare, das Halten von Vorträgen und die Gewährleistung von Unabhängigkeit und Kostenfreiheit. Seit 2020 sammelte der ADxS e. V. Spenden im sechsstelligen Bereich.
Kritik
Angebot unseriöser diagnostischer Tests
Das Projekt vermittelt durch einen gehobenen sprachlichen Ausdruck und die systematische Verwendung fachlicher Terminologie den Eindruck einer professionellen medizinischen Informationsquelle. Tatsächlich handelt es sich nach eigenem Bekunden jedoch um ein von medizinischen Laien betriebenes Angebot, was sich in zahlreichen inhaltlich problematischen und selektiv präsentierten medizinischen Aussagen widerspiegelt.
Besonders relevant ist, dass die Website Online-Tests anbietet, die keine psychometrischen Gütekriterien erfüllen und deren Konstruktion sowie Auswertung nicht auf validierten Diagnoseinstrumenten beruhen. Solche Verfahren sind weder zur Erfassung von ADHS geeignet noch liefern sie in belastbarer Weise einen Hinweis auf das Vorliegen einer ADHS, sondern sind aus wissenschaftlicher Perspektive als unseriös und bedenklich einzustufen.[6] In der evidenzbasierten ADHS-Diagnostik wird betont, dass Screening- und Fragebogenverfahren zwingend Anforderungen an Reliabilität, Validität, Normierung und Kriteriumsbezug erfüllen müssen und nur im Verbund mit einer strukturierten klinischen Exploration eingesetzt werden dürfen.[7]
Die auf ADxS.org angebotenen Tests haben demgegenüber eher spielerischen Charakter. Beispielhafte Fragen lauten etwa
- „Wirst du innerlich unruhig, wenn du nicht selbst handeln, sondern das Handeln anderer begleiten sollst?“
- „Musst du hinschauen, wenn in einer Kneipe ein Fernseher läuft?“ oder
- „Wie häufig spielst du Computerspiele länger als eine Stunde am Stück?“.
Solche Items sind diffus formuliert, ohne klar definierten Symptombezug und stehen in keinem nachvollziehbaren inhaltsvaliden Zusammenhang mit den diagnostischen Kernkriterien einer ADHS oder einer anderen spezifischen psychischen Störung. In der etablierten ADHS-Diagnostik werden demgegenüber standardisierte Items verwendet, deren Formulierung eng an die Kriterien von DSM oder ICD angelehnt ist und deren Aussagekraft empirisch überprüft wurde, wie etwa bei der Adult ADHD Self-Report Scale (ASRS).[8]
Die elektronischen Fragebögen von ADxS.org werden dennoch wiederholt so dargestellt, als würden sie belastbare diagnostische Informationen liefern. Dies ist aus klinischer Sicht problematisch, da Nutzern suggeriert wird, sie könnten allein auf Grundlage eines laienhaft konstruierten Online-Tests mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine psychische Störung schließen. Solche symptomorientierten Selbsttests erinnern funktionell an frei verfügbare „Symptom-Checker“, deren diagnostische und triagebezogene Genauigkeit in Studien als deutlich begrenzt beschrieben wurde.[9]
Angebliche empirische Befunde
Auf der Grundlage dieser nicht validierten Online-Tests werden auf ADxS.org verschiedene vermeintlich „empirische“ Befunde präsentiert. Dabei handelt es sich methodisch um Auszählungen von Selbstauskünften ohne gesicherte Stichprobenbasis, ohne Qualitätssicherung der Datenerhebung und ohne dokumentierte Anwendung statistischer Standardverfahren. Die Ergebnisse werden dennoch sprachlich so eingebettet, als handele es sich um belastbare wissenschaftliche Studien. Beispiele sind:
- „Unsere Fragen nach Kreativität im ADxS.org-Symptomtest V2 zeigten keine signifikant erhöhten Werte von Kreativität (und Intuition) bei (erwachsenen) AD(H)S-Betroffenen”.[10]
- „Die Ergebnisse des ADxS-Symptomtests deuten bislang darauf hin, dass keine Korrelation mit den Subtypen von AD(H)S besteht. Bei SCT scheint es sich um eine eigene Dimension zu handeln, die parallel zu ADHS-HI oder ADHS-I oder ohne ein bestehendes AD(H)S vorhanden sein kann” (sic).[11]
- „Im ADxS.org-Symptomtest (6.400 Teilnehmer, Stand 12/20121) korrelierte Hoarding vor allem mit Unaufmerksamkeit (0.23) und Organisationsproblemen (0,23), während Angst und Depression unauffällig waren. Zudem zeigte sich eine gleich starke Korrelation für den externalisierenden ADHS-HI wie den internalisierenden ADHS-I-Subtyp” (sic).[12]
- „Von den 670 erwachsenen AD(H)S-Betroffenen (mit ärztlicher Diagnose) des ADxS.org Online-Symptomtests zeigten 69 % Schlafprobleme, gegenüber 39 % bei den 159 nach eigener Angaben sicher nicht Betroffenen” (sic).[13]
Ohne kontrolliertes Studiendesign, definierte Ein- und Ausschlusskriterien, Prüfung der Antwortgüte und angemessene statistische Auswertung sind solche Prozentangaben wissenschaftlich nicht interpretierbar und können weder als Prävalenzschätzung noch als Beleg für Zusammenhänge zwischen Konstrukten herangezogen werden.[14]
Rechtfertigung für nicht erfüllte Gütekriterien
Der fehlende wissenschaftliche Standard der Tests wird auf ADxS.org mit der Argumentation gerechtfertigt, dass die differenzialdiagnostische ADHS-Diagnostik in der klinischen Praxis im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs auf Basis von Diagnosemanualen erfolge. Daraus wird die Schlussfolgerung abgeleitet, dass die im Online-Test gestellten Fragen – trotz fehlender Validierung – Befunde erzeugen könnten, „wie sie nach DSM 5 und ICD 10 zu erwarten sein könnten“. Ein Arzt würde im diagnostischen Interview ebenfalls keine standardisierten Skalenitems vorlesen, weshalb der Online-Test im Sinne einer „qualifizierten Gesprächsführung“ als funktional vergleichbar dargestellt wird.
In diesem Zusammenhang wird der Einsatzbereich des Tests damit begründet, dass er Patienten lediglich den „Hinweis“ gebe, eine fachärztliche Diagnostik in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl werden die aus dem Test generierten Auswertungen inhaltlich über eine bloße Empfehlung hinaus genutzt, um im Fließtext vermeintlich evidenzbasierte Aussagen über Symptomprofile, Zusammenhänge und Häufigkeiten zu formulieren. Diese Vermengung von laienhaft konstruiertem Screening und wissenschaftlich klingender Ergebnispräsentation widerspricht grundlegenden Standards evidenzbasierter Diagnostik.
Letztendlich basiert der Symptomtest auf den diagnostischen Manualen von DSM 5, ICD 10 und anderen. Diese werden anhand von Sachverhaltsfragen ermittelt, so wie es ein Arzt aufgrund seiner Erfahrung in einem diagnostischen Gespräch ebenfalls tun würde, ohne dass diese Fragen im Einzelnen validiert wären. Eine ärztliche Diagnose stützt sich indes noch auf (mehrere) weitere Fragebögen und Tests, die ihrerseits validiert sind. Daher können unsere Onlinetests niemals eine ärztliche Diagnose ersetzen und dienen nur als Anregung dazu, eine solche wahrzunehmen (sic).[15]
– ADxS.org
Aus psychometrischer Sicht ist diese Argumentation fehlerhaft. In der evidenzbasierten Diagnostik von ADHS wird ausdrücklich empfohlen, standardisierte und validierte Fragebögen zu verwenden, deren Güteeigenschaften systematisch untersucht wurden und die in diagnostische Entscheidungsprozesse eingebettet sind.[16] Gerade weil Selbstberichte im ADHS-Bereich anfällig für Verzerrungen, Übertreibungen und Fehleinschätzungen sind, wird in der neuropsychologischen Literatur auf die Notwendigkeit mehrerer Datenquellen und auf Verfahren zur Erkennung nicht glaubhafter Symptomdarstellungen hingewiesen.[17]
Der mit Hilfe eines diagnostisch nicht nachvollziehbaren Algorithmus erzeugte Ratschlag, aufgrund vermeintlicher klinischer Anzeichen einer psychischen Erkrankung eine ärztliche Diagnostik in Anspruch zu nehmen, kann einen hochsuggestiven Einfluss auf Nutzer haben. Personen laufen Gefahr, sich auf der Grundlage eines unzuverlässigen Testergebnisses in eine ADHS-Rolle hineinzudenken, Symptome überzubewerten und ein übersteigertes Störungsbewusstsein zu entwickeln. In der Literatur wird beschrieben, dass sich bei einem Teil der Erwachsenen eine ADHS-bezogene „Krankheitsidentität“ herausbilden kann, in deren Rahmen unspezifische Leistungs- und Alltagsprobleme fast ausschließlich auf eine vermutete ADHS zurückgeführt werden.[18] Dies kann etwa infolge einer Diagnosefixierung auf ADHS das Risiko einer Fehldiagnose erhöhen und dazu beitragen, dass andere relevante Ursachen wie Schlafprobleme, Angststörungen oder Belastungsfaktoren übersehen werden.
Siehe auch
Weblinks
Weitere interessante Artikel

Einzelnachweise
- ↑ https://www.adxs.org/das-projekt-adxs-org/
- ↑ https://www.adxs.org/das-projekt-adxs-org/
- ↑ https://adhs-forum.adxs.org/t/ein-dosierungshilfetabelle/631
- ↑ https://www.adxs.org/stress-und-adhs/
- ↑ https://archive.is/wip/w10aS
- ↑ Pelham, W. E. Jr., Fabiano, G. A., & Massetti, G. M. (2005). Evidence-based assessment of attention deficit hyperactivity disorder in children and adolescents. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology, 34(3), 449–476. https://doi.org/10.1207/s15374424jccp3403_5
- ↑ Eng, A. G., Buelow, M. T., & Suhr, J. A. (2024). Evidence-based assessment for attention-deficit/hyperactivity disorder. Assessment, 31(1), 3–21. https://doi.org/10.1177/10731911221149957
- ↑ Kessler, R. C., Adler, L., Ames, M., Demler, O., Faraone, S., Hiripi, E., … Walters, E. E. (2005). The World Health Organization Adult ADHD Self-Report Scale (ASRS): A short screening scale for use in the general population. Psychological Medicine, 35(2), 245–256. https://doi.org/10.1017/S0033291704002892
- ↑ Semigran, H. L., Linder, J. A., Gidengil, C., & Mehrotra, A. (2015). Evaluation of symptom checkers for self diagnosis and triage: Audit study. BMJ, 351, h3480. https://doi.org/10.1136/bmj.h3480
- ↑ https://www.adxs.org/de/page/37/19-kreativitaet-bei-adhs-erhoeht
- ↑ https://www.adxs.org/de/page/302/sct-selbsttest-auf-sluggish-cognitive-tempo
- ↑ https://www.adxs.org/de/page/36/18-messi-tendenz-hoarding-nichts-wegwerfen-koennen-bei-adhs
- ↑ https://www.adxs.org/de/page/170/psychiatrische-komorbiditaeten-bei-adhs
- ↑ Frazier, T. W., & Youngstrom, E. A. (2006). Evidence-based assessment of attention-deficit/hyperactivity disorder: Using multiple sources of information. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 45(5), 614–620. https://doi.org/10.1097/01.chi.0000196597.09103.25
- ↑ Onlinetests zu AD(H)S - ADxS.org. (Abgerufen: 26. Januar 2023). adxs.org. https://www.adxs.org/de/page/248/tests-und-umfragen
- ↑ Pelham, W. E. Jr., Fabiano, G. A., & Massetti, G. M. (2005). Evidence-based assessment of attention deficit hyperactivity disorder in children and adolescents. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology, 34(3), 449–476. https://doi.org/10.1207/s15374424jccp3403_5
- ↑ Finley, J. C. A., Robinson, A. D., VanLandingham, H. B., Ulrich, D. M., Phillips, M. S., & Soble, J. R. (2024). Internalizing and somatic symptoms influence the discrepancy between subjective and objective cognitive difficulties in adults with ADHD who have valid and invalid test scores. Journal of the International Neuropsychological Society, 30(8), 728–737. https://doi.org/10.1017/S1355617724000365
- ↑ Suhr, J. A., & Wei, C. (2013). Symptoms as an excuse: Attention-deficit/hyperactivity disorder symptom reporting as an excuse for cognitive test performance in the context of evaluative threat. Journal of Social and Clinical Psychology, 32(7), 753–769. https://doi.org/10.1521/jscp.2013.32.7.753