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Entretardierung von ADHS-Medikamenten

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Tablettenmörser, wie er bei der Entretardierung von Tabletten oder Mikropellets zur Anwendung kommt

Als Entretardierung bezeichnet man den Vorgang des manuellen Aufhebens der verzögerten Wirkstofffreisetzung von Retardmedikamenten. Nach erfolgreicher Entretardierung liegt der Wirkstoff in einer Form vor, die einem sofort freisetzenden Medikament entspricht. Im Kontext der ADHS-Behandlung sind praktisch ausschließlich zu entretardierende Präparate aus der Kategorie der Stimulanzien von Interesse, zum Beispiel solche mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Dies hat den Grund, dass Methylphenidat für die adulte ADHS-Behandlung ausschließlich in retardierten Formulierungen zugelassen ist. Die Einnahme von entretardierten Medikamenten ist unsachgemäß und mit Gesundheitsrisiken verbunden.

Motivation

Entretardierungen werden vornehmlich aus zwei Gründen vorgenommen: zum einen ist die Entretardierung eine notwendige Vorbereitung für den Missbrauch von Stimulanzien. Zum anderen besteht in der Therapie der ADHS im Erwachsenenalter das Problem, dass kurzwirksame Stimulanzien für Patienten, welche nach dem 18. Lebensjahr diagnostiziert worden sind, keine Zulassung haben. Es kann seitens der Patienten jedoch der Wunsch bestehen, über eine kurzwirksame Variante zu verfügen. Ein Entretardieren entspricht allerdings keiner verordnungsgemäßen Applikation und darf nicht empfohlen werden.

Varianten der Entretardierung

Mikropellets

Wenn der Wirkstoff in Form von Mikropellets (etwa verkapselte Wachskügelchen) vorliegt, kann die Entretardierung unter Zuhilfenahme eines Tablettenmörsers erfolgen. Dazu wird die Kapsel geöffnet und die Kügelchen entnommen. Nach dem vollständigen Zerstoßen der Kügelchen liegt der Wirkstoff in unretardierter Form vor.

Methylphenidat-OROS

Die Entretardierung von Präparaten, die nach dem OROS-Prinzip freisetzen, ist aufwändig, da diese die Entfernung (etwa per Skalpell) der Schichten voraussetzt, welche die Wirkstoffkammern umgeben. Der Anteil an sofort wirksamem Wirkstoff, welcher in dem äußerlichen Überzug enthalten ist, geht dabei verloren. Aufgrund der erschwerten Entretardierungsmöglichkeit werden Präparate nach dem OROS-Prinzip bevorzugt verschrieben, wenn in der Patientenhistorie ein Substanzmissbrauch vorliegt.

Nicht entretardierungsfähige Präparate

  • Präparate mit dem Wirkstoff Lisdexamfetamin wirken nicht aufgrund ihrer Zubereitung verzögert, sondern aufgrund ihrer Eigenschaften als sogenannte Prodrugs. Die Substanz per se ist zunächst ohne Wirkung. Erst nach Resorption im Magen-Darm-Trakt findet die kontinuierliche Spaltung in die Metaboliten Lysin und in das pharmakologisch aktive Dexamfetamin statt. Es kann demzufolge nicht entretardiert werden, da es über alle anderen Applikationswege wirkungslos bleibt.
  • Andere zugelassene ADHS-Medikamente (Non-Stimulanzien) wie Atomoxetin oder Guanfacin lassen sich nicht entretardieren. Eine Entretardierung wäre bei diesen Präparaten auch ohne Nutzen.

Risiken

Die Risiken, welche das Entretardieren stimulanzienhaltiger Zubereitungen birgt, sind vielfältig. So besteht beispielsweise das Risiko gefährlicher Überdosierungen, deren Folgen für den individuellen Fall nicht abzuschätzen sind. Ein auf Medikinet Retard 40 mg eingestellter Patient würde etwa bei Einnahme aller enthaltenen zerstoßenen Wachskügelchen die vollen 40 mg Methylphenidat auf einmal zuführen, was dann dem Doppelten der Einzeldosis entspricht, auf die der Patient eingestellt ist. Dies hat den Grund, dass der Wirkstoff zeitverzögert jeweils zu 50 % freigesetzt wird. Die missbräuchliche Applikation von zerstoßenen Mikropellets (zum Beispiel zum Sniffen) ist potentiell lebensgefährdend. Das enthaltene Bindemittel (Talkum) kann verklumpen und zu einer lebensbedrohlichen Talkumembolie führen.[1]

Siehe auch

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Einzelnachweise