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Honeymoon Period

Aus ADHSpedia
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Exemplarischer Entwicklungsverlauf: Bei Beginn der Medikation entwickeln die Betroffenen häufig eine gewisse Anfangseuphorie, die sich mit der Zeit relativiert.

Honeymoon period, honeymoon phase oder honeymoon excitement (engl. für „Flitterwochen“, „Schonzeit“) ist ein Jargon- und Szenebegriff aus der Netzkultur, der vor allem in englischsprachigen Diskussionsforen verbreitet ist.[1][2][3][4][5][6] Mit dem Begriff wird – im Kontext ADHS – die erste, eventuell von einer gewissen Anfangseuphorie begleitete Phase nach Aufnahme der Pharmakotherapie bezeichnet.

Entstehungsgeschichte

Die Entwicklung des Begriffs ist nicht gut dokumentiert. Er etablierte sich vermutlich im Sub-Forum „r/ADHD“[7] des Diskussionsforums Reddit. Erste Anwendungen des Begriffs finden sich dort ab dem Jahr 2013.[8]

Das Phänomen

Die medikamentöse Therapie mit Psychostimulanzien gilt als aktuell effektivster Therapiebaustein der multimodalen ADHS-Therapie. In bis zu 80 % aller Fälle kann die Symptomatik mithilfe einer medikamentösen Therapie deutlich reduziert werden.[9] Stimulanzien wirken spontan und benötigen etwa 30 bis 60 Minuten, bis sie ihre volle Wirkung entfaltet haben. In den meisten Fällen stellen die Patienten bereits bei der ersten Einnahme eine positive Wirkung auf die Selbstregulation fest – plötzlich ist es ihnen möglich, ihre Aufmerksamkeit, Emotionen, Impulse und Handlungen zielgerichtet zu steuern. Auch die Selbstwahrnehmung scheint sich zu verbessern. Dies wirkt sich in allen Lebensbereichen positiv aus und die neue Lebensqualität führt bei den Patienten zu einer oftmals hohen Begeisterung, die zunächst auch übersteigert sein kann. Auf einmal scheint bislang Undenkbares möglich und bislang unbekannte Fähigkeiten kommen zum Vorschein. Die Patienten erhalten in allen Lebensbereichen ein ungewohnt positives Feedback. Sie entwickeln eine hohe Motivation und sind positiv gestimmt. In ihrer neuen Selbst- und Fremdwahrnehmung, welche sich aus der Medikation ergibt, setzen sie sich auch bisher unbeliebten und vermiedenen Situationen aus und probieren sich und ihre neue Selbstwirksamkeit aus.

Die neue Selbstwahrnehmung ist in der Anfangsphase der Medikation häufig übersteigert. Die Selbstwirksamkeitserwartungen können in dieser Phase nach oben hin verzerrt sein. Im Optimalfall lernen die Betroffenen nach einiger Zeit (Wochen oder Monate), sich – das heißt, ihre Kompetenzen und persönlichen Grenzen – realistisch einzuschätzen. Allerdings sind auch gegenläufige Entwicklungstendenzen möglich – manche Patienten melden mit abnehmender Begeisterung eine sich subjektiv reduzierende Medikamentenwirksamkeit zurück, die sich im Messergebnis aber nicht widerspiegelt. In diesem Fall handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, bei der die Medikamentenwirksamkeit an der Euphorie gemessen wird.

Euphorie durch Methylphenidat

Innerhalb der Einstellungsphase kann unter Methylphenidat und anderen Stimulanzien manchmal die substanzbedingte Nebenwirkung einer euphorischen Gefühlswahrnehmung auftreten.[10] Die Hochstimmung wird nicht von allen Patienten positiv wahrgenommen („künstliches Hochgefühl“). Insbesondere bei deutlicher Dysphorie oder komorbider Depression besteht aber das Risiko, dass die gehobene Stimmung von den Patienten irrtümlich als ein oder das wesentliche Erkennungsmerkmal einer positiven Wirkung interpretiert wird. Patienten müssen daher im Rahmen der Psychoedukation über mögliche Nebenwirkungen unterrichtet werden, um eine adäquate Erwartung an die Therapie entwickeln zu können. Relevant ist dieser Aspekt auch hinsichtlich Compliance und Therapieerfolg: Ist der Patient geneigt, den Behandlungserfolg an der zunächst sehr deutlichen Stimmungsaufhellung zu messen, besteht das Risiko eines frühen Therapieabbruchs, da aufgrund der bald ausbleibenden Hochstimmung irrtümlicher Weise angenommen wird, dass das Medikament nicht, oder nicht mehr zureichend wirkt.

Beachtet werden muss darüber hinaus, dass Stimulanzien wie Methylphenidat bei der bipolaren Störung unter einer ADHS-Fehldiagnose ein Switch-Risiko darstellen. Das heißt, für Betroffene der bipolaren Störung besteht unter Stimulanzieneinfluss ein erhöhtes Risiko, in eine manische oder hypomanische Phase zu geraten. Bei Ultra-Rapid-Cycling können auf hypomanische oder manische Kurzphasen extreme, dysphorische Phasen folgen, welche irrtümlich als Rebound-Effekt attribuiert werden.

Siehe auch

Weblinks

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Einzelnachweise