Mehr Sicherheit für ADHS-Patienten
Medikamenten-Ausweis nach § 4 Abs. 3 BtMG
Zappelin | |
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Indikation | Überaktivität, Impulsivität, Unaufmerksamkeit, Schlafstörungen |
Therapieform | Homöopathie |
Wirkung | homöopathisch[1] |
Wirksamkeit | unbelegt |
Zappelin (auch: Zappelin N) ist ein von der Karlsruher Pharmafirma Deutsche Homöopathie-Union DHU-Arzneimittel GmbH & Co. KG (DHU) unter der Dachgesellschaft mama natura GmbH vermarktetes Komplexhomöopathikum, das unter anderem zur Behandlung von ADHS-Symptomen vermarktet wird. Da für Zappelin keine substantiierten Wirksamkeitsnachweise für die Behandlung von ADHS oder ADHS-Symptomen vorliegen, eignet sich das Präparat nicht für den monotherapeutischen Einsatz. Abhängig von der gesetzlichen Krankenkasse kann Zappelin (als sogenannte Satzungsleistung) erstattungsfähig sein.[2]
Die historischen Hintergründe von Zappelin sind nicht umfangreich dokumentiert. Öffentlich bekannt ist, dass der Karlsruher DHU-Mutterkonzern Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG erstmals im Jahr 1949 Markenschutz für eine Wort-Bildmarke namens Zappelin® beantragte.[3] Im Jahr 1951 erfolgte die Eintragung beim DPMA. Die Markenrechte befanden sich seither ununterbrochen im Besitz des Konsolidierungskreises von Schwabe. Das Anmelde- oder Eintragungsdatum erlaubt jedoch keine Aussagen darüber, wann das Präparat erstmals zugelassen wurde oder ab wann dieses für welche Patientengruppen vermarktet worden ist. Es ist lediglich belegt, dass die Zulassung vor dem Jahr 1978 erfolgt ist.
Im Jahr 2005 ließ Schwabe eine weitere Wortmarke namens Zappelin für drei Nizza-Klassen eintragen, welche Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel beinhalten.[4]
Zulassungsinhaber von Zappelin ist die Schwabe-Tochter Deutsche Homöopathie-Union DHU-Arzneimittel GmbH & Co. KG. Zappelin besitzt als homöopathisches Arzneimittel eine sogenannte verlängerte „Altzulassung“ und keine Registrierung nach den seit 1978 geltenden Regeln des Arzneimittelgesetzes (AMG).[5] Das bedeutet, dass vom Hersteller sowohl (begrenzte) Angaben zur Indikation, als auch Dosierangaben gemacht werden dürfen,[6] auch wenn herstellerseitig keine Wirksamkeitsnachweise erbracht worden sind, die den modernen Anforderungen an eine Zulassung entsprechen. Zappelin fällt daher nicht unter das Werbeverbot im Sinne des § 5 Heilmittelwerbegesetz (HWG) und darf mit Anwendungsgebieten beworben werden.
Zappelin setzt sich aus den vier stark diluierten (verdünnten, D-potenzierten)[7] Einzelbestandteilen Chamomilla D12, Kalium phosphoricum D6, Staphisagria D12 sowie Valeriana D6 zusammen [8] und liegt in Form von Streukügelchen (Globuli) vor. Die Zubereitung des seit 2016 nicht mehr erhältlichen Zappelin N war mit der des Zappelins identisch.[9] → Siehe auch: Bioäquivalenz.
Tabelle zur Dilution (Verdünnung durch Verschüttelung mit einem Lösungsmittel) der in Zappelin enthaltenen Ausgangsstoffe:[10]
Ausgangssubstanz (Trivialbezeichnung) | Stufe | Dilution (Verdünnung) |
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Chamomilla (Echte Kamille) | D12 | 1:1.000.000.000.000 |
Kalium phosphoricum (Kaliumphosphat) | D6 | 1:1.000.000 |
Staphisagria (Stephanskraut) | D12 | 1:1.000.000.000.000 |
Valeriana (Echter Baldrian) | D6 | 1:1.000.000 |
Gemäß Herstellerangaben ist Zappelin „homöopathisch wirksam“ bei „Überaktivität, Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Schlafstörungen“, bzw. bei „nervösen Erkrankungen“.[11] Eine Wirksamkeit des Präparats wurde bislang jedoch weder für bestimmte, isolierte Einzelsymptome, noch für die ADHS-Symptomatik durch überzeugende wissenschaftliche Daten belegt.
Im Jahr 2005 wurde herstellerseitig eine zweiarmige, unrandomisierte, unverblindete, nicht placebokontrollierte Kohortenstudie mit 375 Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 14 Jahren durchgeführt (Zappelin versus Ritalin).[12] Von dieser Studie wurde jedoch nur eine Kurzzusammenfassung und keine ausführliche Dokumentation veröffentlicht. Im Rahmen der anschließenden Pressekonferenz gab ein Sprecher des Herstellers an, dass Zappelin „bei leichter bis mittelschwerer Symptomatik so gut wirkt, wie Ritalin“. Dies habe eine eigens durchgeführte Subgruppenanalyse gezeigt, welche jedoch nicht veröffentlicht wurde. Kirsten Stollhoff von der AG ADHS kommentierte hierzu, dass die Behauptung, „dass Zappelin eine Alternative zur Ritalin-Therapie darstellt, wie die Produktwerbung es verspricht, der Studie nicht zu entnehmen“ sei und „auch nicht der Realität in der Praxis“ entspreche.[13] Das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) bezeichnete die Studie als „aufgeblähte PR-Maßnahme“.[5]
Das Informationsnetzwerk Homöopathie kritisierte die werbeträchtige Suggestivität des Handelsnamens: „Zappelin - hier wird schon mit dem Namen etwas suggeriert, was sich bei näherer Betrachtung als durchaus problematisch erweist.“ Der Produktname beinhalte einen „unzweideutigen werbenden Hinweis auf das 'Anwendungsgebiet'.“ In diesem Zusammenhang kritisierte das INH die historisch bedingte Problematik, dass der § 5 HWG bei Altzulassungen nicht wirke:[5]
„Für solche Altzulassungen greift der § 5 Heilmittelwerbegesetz nicht, denn der spricht sein Verbot nur für 'registrierte' Mittel aus. Einen sachlichen Grund gibt es dafür nicht – hat der Gesetzgeber hier etwas 'vergessen'? Wohl nicht. Der Vorteil, mit einer 'Altzulassung' einerseits auch keinen Wirkungsnachweis erbringen zu müssen, andererseits aber mit Anwendungs- und Wirkungsangaben auf und in den Packungen werben zu dürfen, soll wohl so etwas wie ein 'Bestandsschutz' aus 'altem Recht' sein - sachlich vollkommen ungerechtfertigt. Und so müssen wir hier einigermaßen fassungslos feststellen, dass es unter den ohnehin vom Gesetzgeber privilegierten Homöopathika (die keinen Wirkungsnachweis erbringen müssen) noch privilegiertere gibt (die das auch nicht müssen, aber nicht einmal unter das Werbeverbot des § 5 HWG fallen).“
— Informationsnetzwerk Homöopathie, 2017
Die Vermarktungspraktiken von Zappelin finden in einem Blogbeitrag von Jan Oude-Aost[14] sowie in einem Interview mit Natalie Grams[15] weitere kritische Würdigung.
Kirsten Stollhoff merkte an, dass die feste Kombination des Zappelins aus verschiedenen Substanzen das homöopathische Prinzip einer individuellen Behandlung im Sinne einer Einzelmittelverordnung (etwa Repertorisation)[16] ad absurdum führe.[13] Ähnlich äußerte sich auch Martin Winkler.[17]
Jan Oude-Aost kritisierte, dass der Hersteller – im Sinne eines Gieskannenprinzips – Zappelin auch für solche Menschen bewerbe, die gar nicht manifest erkrankt seien, sondern zum Beispiel nur sporadisch oder situationsbedingt nervöse Symptome zeigten:[14] „Wir begegnen hier einmal mehr dem Effekt, dass die Gabe von Homöopathika für 'alles und jedes' eine eventuell lebenslang wirksame Konditionierung auf die Einnahme von Medikamenten bedingt. Dies widerspricht zudem klar der homöopathischen Methode, die sich als Arzneimittellehre versteht, die (nur) im Falle einer bestehenden Erkrankung interveniert [...].“
Genaue Erlöse, welche mit Zappelin erzielt werden, sind nicht bekannt. Der Hersteller (DHU) gab im November 2015 lediglich an, dass mit der gesamten Produktfamilie „mama natura“ EU-weit Erlöse im Bereich eines „niedrigen einstelligen Millionenbetrags“ erzielt worden seien.[6]
Ähnlich beworben wie Zappelin werden die homöopathischen Komplexpräparate Lunafini (Säuglinge ab 6 Monaten) und Neurexan (Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren), welche vom Pharmahersteller Biologische Heilmittel Heel GmbH vertrieben werden.[18][19]