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Müdigkeit und ADHS

Aus ADHSpedia
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Müdigkeit und Erschöpfung, sowie auch das chronische Erschöpfungssysmdrom als Komorbidität und Differenzialdiagnose der ADHS, sind noch nicht gut untersucht.[1] Anekdotisch zeigt sich, dass chronische Tagesmüdigkeit und Erschöpfung häufiger im Zusammenhang mit dem vornehmlich unaufmerksamen Subtypen, bzw. Hypoaktivität aufzutreten scheinen, wenngleich auch hier keine wissenschaftlich gesicherten Informationen vorliegen.

Vor allem eine komorbide Depression oder Schlafstörungen kommen als Ursachen für die Tagesmüdigkeit in Frage und sind aufgrund ihres sehr häufigen komorbiden Auftretens diagnostisch naheliegend, wenn andere, organische Ursachen ausgeschlossen werden können. Mehr als 40 % der Betroffenen leiden an Depressionen, mehr als 80 % an Schlafstörungen.[2]

Auftreten und Ursachen für chronische Erschöpfung bei ADHS

Ein häufiges Phänomen stressinduzierter Müdigkeitssymptome ist, dass die Betroffenen in den Abend- und Nachtstunden plötzlich keine Erschöpfung mehr verspüren. Sie fühlen sich in den ruhigen Abendstunden „sicher" vor den subjektiv empfundenen Bedrohungen des psychosozialen Stresses. Problematisch ist der oftmals unregelmäßige Schlafrhythmus und die unzureichende Schlafdauer, welche die Tagesmüdigkeit weiter verschlimmert

Bislang liegen keine biophysiologischen Befunde vor, die einen gesicherten Zusammenhang zwischen ADHS, oder bestimmten ADHS-Subtypen und chronischer Müdigkeit aufzeigen können. In ihren Intervallen häufiger als bei Menschen mit vornehmlich hyperaktiver Symptomatik ist chronische Erschöpfung jedoch bei der kombinierten, oder primär unaufmerksamen Symptomatik beobachtbar. Das bedeutet nicht, dass ADHS-Betroffene mit hyperaktiver Symptomkomponente nicht von chronischer Erschöpfung betroffen sein können, jedoch tritt diese über die Lebensspanne hinweg eher seltener auf. Gerade die motorische Unruhe sowie auch Symptome des Restless-Legs-Syndroms gehen oftmals mit Schlafstörungen einher, die ihrerseits zu chronischer Tagesmüdigkeit führen können.

Genetische Befunde

In verschiedenen Untersuchungen konnten Hinweise auf eine Korrelation zwischen genetischen Variationen und einer gestörten gestörten zirkadianen Rhythmik bei ADHS-Patienten gefunden werden.[3]

Komorbide Schlafstörungen

Schlafstörungen zählen zu den sehr häufigen Begleiterscheinungen der ADHS und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen enorm zusätzlich. Mehr als 80 % der Betroffenen haben Ein- und Durchschlafschwierigkeiten. Eine Untersuchung von türkischen Wissenschaftlern konnte zeigen, dass ADHS-Betroffene schlechter schlafen und häufiger an Tagesmüdigkeit leiden.[4]

Als Ursachen für die Schlafstörungen werden von Experten verschiedene mögliche Auslöser angeführt, darunter das mit ADHS einhergehende erhöhte Erregungsniveau, aber auch andere komorbide Störungen, beängstigende Träume (ADHS-Betroffene haben häufiger Träume mit negativen Inhalten)[5], psychosozialer Stress oder fehlende Alltagsroutinen können beteiligt sein. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Einnahme von Psychostimulanzien wie Methylphenidat an den Schlafstörungen beteiligt sein könnte. Wenn dieser Verdacht besteht, kann die jeweilige Medikamentengabe testweise um einige Stunden nach vorne gezogen oder zeitweise ausgelassen werden. So kann eruiert werden, ob ein Zusammenhang zwischen den Schlafproblemen und der Medikation besteht.[6]

Viele Betroffene geben zudem an, dass ihnen generell ein Zeitgefühl auch auf körperlicher Ebene fehle. Sie empfinden die notwendige Bettgeh-Zeit als künstlichen „Stopp", weshalb sie dazu neigen, das Zubettgehen fortwährend hinauszuzögern, was oftmals keinen regelmäßigen Schlafrhythmus ermöglicht. Auch Prokrastination, also das Aufschieben dringender Aufgaben, Grübeleien und Gedankenkreisen, oder eine Neigung zum Sensation-Seeking (bzw. die Befürchtung, etwas zu verpassen) können zu unregelmäßigen Schlafenszeiten führen und die Schlafdauer und -Qualität beeinträchtigen.

Wichtig ist letztlich die individuelle diagnostische Abklärung der jeweiligen Ursachen, um eine zielgerichtete Therapie konzipieren zu können. Speziell bei Kindern mit ADHS haben sich zudem verhaltenstherapeutische Schlafprogramme als wirkungsvoll erwiesen.[7]

Komorbide Depression

Während ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ADHS und chronischer Erschöpfung bislang unklar ist, lassen sich die Ermüdungssymptome meist anhand der sehr häufig (mehr als 40 %)[8] komorbid auftretenden Depressionen (bzw. Burnout-Syndrom) oder Angststörungen erklären. Gerade hinsichtlich der Unterscheidung zum chronischen Erschöpfungssysndrom mit gegebenenfalls körperlichen Ursachen finden sich hier deutliche Abgrenzungsmerkmale, wie beispielsweise:[9]

  • Als psychosozial/seelisch bedingte Müdigkeit tritt die Erschöpfung vor allem in den ersten Morgenstunden auf. Der Betroffene „kommt nicht in die Gänge". Dazwischen gibt es Tage, an denen die Symptomatik ohne ersichtlichen Grund verschwunden zu sein scheint, um sich kurze Zeit später wiedereinzustellen.
  • Schlaf bringt keine Erholung, unabhängig davon, wie lange oder qualitativ der Schlaf gewesen ist. Trotz Durchschlafens und einer individuell ausreichenden Schlafdauer von beispielsweise neun Stunden in der Nacht verspüren die Betroffenen das Bedürfnis nach einem ausgedehnten Mittagsschlaf.
  • Es finden sich keine somatischen (körperlichen) Krankheitszeichen und auch keine Hinweise wie Appetit- und Gewichtsverlust, Stoffwechsel- oder Blutbildveränderungen.
  • Am späten Abend fühlen die Betroffenen plötzlich keine Müdigkeit und Ermattung mehr.
  • Der Betroffene kann keine Faktoren nennen, welche die Müdigkeitsproblematik verbessern oder verschlechtern.

Depression und Müdigkeit als Konversionssymptom

Eine ausgeprägte ADHS-Symptomatik geht in der Regel mit dauerhaft erhöhten emotionalen und kognitiven Belastungen einher. Die Betroffenen müssen aufgrund ihrer natürlichen Verhaltensabweichungen, welche anderslautenden gesellschaftlichen Erwartungen gegenüberstehen, permanente Kompensationsleistungen vollziehen, hohe Energieaufwände für Konzentrations- und Gedächtnisleistungen erbringen und mögliches Fehlverhalten kompensieren, um nicht negativ aufzufallen oder in ungünstige Situationen zu geraten. Bereits dieser Umstand ist energiezehrend und wirkt ermüdend. Gleichwohl kommt als Reaktion auf die häufigen Versagenserfahrungen, welche die Betroffenen machen, auch das „Konversionssymptom Müdigkeit" in Frage. Dabei wird auf Konflikte und schwer zu bewältigende Probleme des Alltags mit psychophysiologisch bedingter Müdigkeit reagiert.[10] Die Betroffenen haben aufgrund der starken Müdigkeit über den Tag hinweg Bedürfnis, sich zum Schlafen zurückzuziehen.

Nach dieser Hypothese vermindert sich die Müdigkeit am Abend , da die Betroffenen in den ruhigen Abendstunden und in der Nacht weniger psychosozialen Stress erwarten. Zusätzlich stellt sich auch der Körper auf diesen bevozugten Schlafrhythmus ein. Menschen mit diesem Verhaltensmuster begreifen sich häufig als sogenannte „Nachtmenschen". Dass es sich um eine psychogene Form der Müdigkeit handelt, dass diese also nicht unmittelbar auf einer körperlichen Erkrankung beruht, wird häufig nicht klar.

Die Therapie der depressiven Symptomatik steht im Rahmen des individuellen multimodalen Therapiekonzepts im Vordergrund, wenn diese als Ursache für die Erschöpfungssymptome identifiziert ist. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie sowie gegebenenfalls auch mit flankierender medikamentöser Therapie geschehen. Dabei kann im Einzelfall auch eine Off-Label-Behandlung mit Modafinil (auch ohne komorbid vorliegende Narkolepsie) eine positive Wirkung auf die Tagesschläfrigkeit haben.[11] Entsprechend der Off-Label-Verordnung wird dieses jedoch nicht von den Kassen erstattet.

Schlafstörungen und Stimulanzien

Gemäß verschiedener Studien können Stimulanzien wie Methylphenidat an Schlafstörungen beteilgt sein.[12] Besteht dieser Verdacht, kann die Medikamentengabe zeitlich nach vorne gezogen oder eine Alternativmedikation oder -Behandlung erwägt werden. Andererseits profitieren einige Patienten mit Tagesmüdigkeit erheblich von der Stimulanzientherapie, sofern die Einnahme auf einen regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus eingestellt werden kann. In manchen Fällen kann mit ADHS-Patienten erst dann ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus etabliert werden, wenn die Therapie mit Stimulanzien flankiert wird. Darüber hinaus sollte kontrolliert werden, ob das Medikament korrekt (zum Beispiel nicht zu spät am Abend) eingenommen wird.

Melatonin

Verschiedene Studien konnten aufzeigen, dass Melatonin in Kombination mit schlafhygienischen Maßnahmen die Schlafqualität von Kindern mit ADHS verbessern und die Einschlafdauer verkürzen kann.[13][14][15] Melatonin hat jedoch nach aktuellen Erkenntnissen keine Auswirkungen auf die ADHS-Symptomatik. Weil eine verbesserte Schlafqualität jedoch bedeutsam zur Linderung der ADHS-Symptomatik beitragen kann, kann für den individuellen Fall ein Nutzen durch die Melatonin-Einnahme vorhanden sein.

Besonderheiten und Korrelationen

Siehe auch

Film und Fernsehen

Tv.pngADHS und Schlaf (Talksendung)

Studien und wissenschaftliche Publikationen

Weblinks

Deutsch

Englisch

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Einzelnachweise