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Ritalin

Aus ADHSpedia
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Leandro mit Ehefrau Marguerite „Rita" Panizzon
Werbeanzeige für Ritalin aus dem Jahr 1957 - damals von Ciba als Wirkstoff zur Behandlung von Depressionen beworben.
Werbemaskottchen „Mr. Ritalin” (Ciba), vermutlich aus den 1970er Jahren stammend.

Ritalin ist der Handelsname eines Medikaments mit dem Wirkstoff Methylphenidat, das zur medikamentösen Behandlung bei ADHS eingesetzt werden kann. Der Markenname gehört dem Pharmaunternehmen Novartis an. 2011 wurde Methylphenidat knapp 336.000 Personen verschrieben, wobei laut Bundesopiumstelle etwa 1800kg des Arzneistoffs abgesetzt wurden.[1] Im Gegensatz zu anderen Methylphenidat-Generika enthalten alle Ritalin-Präparate Gluten, weshalb es für Allergiker nicht geeignet ist.

Entdeckung und Namensherkunft

Ritalin-Tabletten von Novartis

Als Entdecker des Methylphenidat, dem Wirkstoff von Ritalin, gilt der Basler Chemiker Leandro Panizzon.[2] Panizzon war Mitarbeiter des schweizer Pharmaunternehmens Ciba und zum Zeitpunkt seiner Entdeckung 37 Jahre alt. Er stellte den Wirkstoff durch eine Synthetisierung aus Phenylacetonitril und 2-Chlorpyridin her.[3] Wie zu dieser Ziet üblich, testete Panizzon den neuen Wirkstoff an sich selbst. Nachdem der Wirstoff bei ihm selbst keine besondere Wirkung zeigte, beschloss er, ihn an seiner Frau, Marguerite Panizzon, zu testen, die an niedrigem Blutdruck litt. Panizzon hatte die Vermutung, dass die neu entdeckte Verbindung bei seiner Frau positive Wirkungen zeigen könnte. Marguerite berichtete nach dem Tennisspiel über eine deutlich zu vernehmende Leistungssteigerung, die offenbar mit der Einnahme von Methylphenidat eihnerzugehen schien. Im Anschluss taufte Leandro Panizzon den neu entdeckten Wirkstoff als Ritalin, eine Anspielung auf den Kosenamen Rita seiner Frau Marguerite.

Im Jahr 1950 ließen Panizzon und Max Hartmann ein verbessertes Herstellungsverfahren von Methylphenidat in den Vereinigten Staaten patentieren (US-Patent-Nummer 2507631).[4] Methylphenidat wurde zunächst intravenös zur Behandlung von Barbituratvergiftungen eingesetzt.[5] 1954 wurde es unter dem Handelsnamen Ritalin als Mittel zur Behandlung von psychiatrischen Störungen vom schweizer Pharmaunternehmen Ciba patentiert. 1955 wurde Ritalin zur Behandlung zahlreicher Indikationen vorgestellt und zugelassen, darunter Depressionen, Müdigkeit und Narkolepsie. Im Jahr 1957 erfolgte die Markteinführung in Europa.

In den 1960er Jahren konnten eine erste placebokontrollierte Studie sowie vier weitere Untersuchungen belegen, dass Methylphenidat positive Wirkungen bei Symptomen der Impulsivität, Hyperaktivität sowie Aufmerksamkeitsstörungen hat. Im Jahr 1968 untersuchte der Kinderneurologe J. Gorden Millichap die Wirksamkeit von Methylphenidat im Vergleich zu Amphetaminen und kam zum Schluss, dass Methlyphenidat zur Behandlung der betreffenden Symptome bei Kindern und Jugendlichen „Mittel der Wahl" sei. Von den 337 Patienten zeigten 84 % Symptomverbesserungen nach Gabe von Methylphenidat. Dem gegenüber standen 69 % der 415 Patienten mit gebesserten Symptomen nach Gabe von Amphetaminen.[6] 20 Jahre nach der Patentierung erlosch das Patent am Wirkstoff Methylphenidat.

Während der Gültigkeitsphase des Patents verzeichnete Ciba vergleichsweise geringe Absatzzahlen mit dem Präparat. Zwar sind die Wirkungen von Amphetaminen auf hyperaktive und impulsive Verhaltensstörungen bereits seit den 1930er Jahren beschrieben und Kinder und Jugendliche mit Verhaltensstörungen werden bereits seit 1937 mit Psychostimulanzien behandelt, allerdings erfuhr das Präparat seinen massiven Absatzanstieg erst nach der erstmaligen Definition der ADHS als eigenständiges Störungsbild in den 1980er Jahren. Im Jahr 1993 wurden in Deutschland 34 Kilogramm Methylphenidat abgesetzt, im Jahr 2009 bereits 1,7 Tonnen, was einem Verschreibungsanstieg um 700 % entspricht. In den USA verzeichnete die DEA bereits in den 1990er Jahren einen Absatzanstieg über 500 % von 1990 bis 1996.[7] Seit dem Erlöschen des Patents wird Methylphenidat unter zahlreichen Handelsnamen (Generika) und Variationen (zum Beispiel Retardpräparate oder Pflaster) unterschiedlicher Hersteller vertrieben.

Varianten

Ritalin LA

Ritalin LA (long-acting, dt. lange wirkend) stellt eine retardiert wirkende Variante von Ritalin dar. Das Präparat ist seit August 2007 in Deutschland als Arzneimittel zugelassen. Die spezielle Galenik von Ritalin LA (SODAS) imitiert die zweimal tägliche Gabe einer sofort freisetzenden Methylphenidat-Formulierung. Die Gesamtmenge an Wirkstoff liegt, wie auch bei Focalin XR, zu 50 % in nicht retardierter, schnell freisetzender Form vor, während die restlichen 50 % nach etwa vier Stunden freigesetzt werden. Die verminderte Freisetzung wird mit Hilfe spezieller Pellets erreicht.[8] Da die verzögerte Freisetzung nicht, wie etwa bei Ritalin SR, durch eine speziell präparierte Kapselhülle erzielt wird, sind auch alternative Darreichungsformen möglich. So kann der Inhalt der Kapsel beispielsweise auch über Nahrungsmittel gestreut eingenommen werden. Dies beeinträchtigt die retardierte Wirkung nicht.

Ritalin SR

Ritalin SR (sustained release, dt. Freisetzung mit konstanter Geschwindigkeit) ist ein retardiert wirkendes Präparat mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Die magensaftresistente Kapselhülle des Präparats ist galenisch so präpariert, dass eine verzögerte Wirkstofffreisetzung erzielt wird.[8]

Ritalin Adult

Ritalin Adult ist seit Mai 2014 zur Behandlung von Erwachsenen mit ADHS zugelassen. Das Präparat ist für ADHS-Patienten ab 18 Jahren vorgesehen, auch um einen Therapie-Übergang von Jugendlichen ins Erwachsenenalter zu ermöglichen. Bei Ritalin Adult liegt Methylpehnidat in retardierter Form mit zwei verschiedenen Mikropelletsorten vor. Das Präparat wird von Novartis in den Wirkstoffstärken von 10, 20, 30 und 40mg zur Verfügung gestellt.

Ritalin-Sammelklagen

Hauptartikel: Ritalin-Sammelklagen

Im Jahr 2000 wurden in fünf US-Bundesstaaten (Kalifornien, Texas, Florida, New Jersey und Puerto Rico) Sammelklagen gegen den Pharmahersteller Novartis eingereicht, mit dem Ziel, Schadenersatzansprüche in Milliardenhöhe geltend zu machen.[9]

Die Klageschrift besagt, dass der Pharmakonzern Ciba/Novartis „vorsätzlich und fahrlässig die Diagnose ADHS sowie die Verkäufe von Ritalin durch Werbeliteratur und das Training seiner Verkaufsrepräsentanten in die Höhe treibe", wobei die Beklagten dabei Patienten, Ärzten und Schulen trotz Kenntnis „wichtige Informationen über die Nebenwirkungen und Gefahren von Methylphenidat vorenthalten und herunterspielen".

Ein weiterer Klagegegenstand war der Vorwurf, der Verband CHADD (Children and Adults with Attention Deficit/Hyperactivity Disorder) habe unter Beihilfe der American Psychiatric Association (APA) versucht, gesetzliche Beschränkungen zu lockern, um den Absatz von Ritalin zugunsten von Ciba/Novartis zu steigern.

Der als Psychiatriekritiker bekannte Peter Breggin war in mehreren Verfahren als Konsil auf Klägerseite tätig. Bis Ende 2002 wurden alle fünf Klagen abgewiesen oder zurückgezogen.[10]

Trivia

Die Chemnitzer Musikgruppe Kraftlcub benannte einen Song nach dem Medikament. Siehe: Ritalin/Medikinet (Song).

Siehe auch

Weitere interessante Artikel

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Quellen

  1. Arzreport 2013 - Barmer GEK untersucht ADHS-Diagnosen und erwägt Zusatzbeitrag
  2. vgl. nachfolgender Absatz: https://goo.gl/14dcJY
  3. Panizzon L. La preparazione di piridil-e piridilarilac – tonitr ilie di alcuni prodotti transformazione (part la). Helv Chim Acta 1944; 2: 1748-56.
  4. http://inhn.org/drugs/methylphenidate.html
  5. Rosenberg DG, Rape WC, Rumble LJ. Parenteral mehylphenidate administration HCl (Ritalin) in barbiturate intoxication. J Med Assoc Ga 1959; 48: 19-21.
  6. https://goo.gl/UQ7EAS
  7. http://www.add-adhd.org/ritalin.html
  8. 8,0 8,1 Short-acting versus Long-acting Medications for the Treatment of ADHD
  9. 317 F.3d 1097; 2003 U.S. App. LEXIS 1678; 54 Fed. R. Serv. 3d (Callaghan) 1032; 2003 Cal. Daily Op. Service 970; 2003 Daily Journal DAR 1265.
  10. http://www.swissinfo.ch/ger/ritalin-sammelklage-gegen-novartis-zurueckgezogen/2643782


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