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Hochbegabung und ADHS

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Hochbegabung und ADHS können kombiniert auftreten

Unter dem Konstrukt Hochbegabung wird in der Psychologie eine weit über dem Durchschnitt liegende intellektuelle Begabung eines Menschen verstanden. Dabei wird davon ausgegangen, dass zwischen verschiedenen Menschen Unterschiede im Bezug auf ihre intellektuellen Befähigungen bestehen und dass es möglich ist, diese anhand ihrer Befähigungen in verschiedene Gruppen einzuteilen. Die Entstehung der Hochbegabung ist unklar, jedoch wird ein Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld in der Kindheit sowie genetischen Einflüssen vermutet.[1] Die Konzepte der Hochbegabung sind umstritten.

Hochbegabung kann auch gemeinsam mit der ADHS auftreten, die Intelligenzleistung von ADHS-Betroffenen gilt jedoch im Durchschnitt nicht als höher.[2] Hochbegabung scheint also nicht häufiger begleitend mit der ADHS aufzutreten. Die wissenschaftliche Datenlage der Hochbegabung im Zusammenhang mit der ADHS ist mangelhaft, empirische Befunde sind selten.

Siehe auch: ADHS und Schule

Hochbegabung

In der Literatur werden häufig diverse Anzeichen genannt, die auf eine mögliche Hochbegabung hinweisen können. Die genannten Anzeichen allein sind jedoch für eine sichere Diagnose nicht ausreichend. Oftmals mündet die Auseinandersetzung mit einer möglichen ADHS in die Diagnose der Hochbegabung, oder die Hochbegabtenvermutung führt schließlich zur ADHS-Diagnose. Bei der kombinierten Form kann eine isolierte Betrachtung dazu führen, dass eines von beidem unerkannt bleibt.

Anzeichen einer Hochbegabung können sein:[3][4][5][6]

  • Soziale Auffälligkeiten
    • Kaum Interesse an alterstypischen Aktivitäten
    • Perfektionistisch und sehr kritisch in Bezug auf Leistungen
    • Bevorzugung verbaler statt körperlicher Auseinandersetzungen
    • Gefühl des Isoliertseins
    • Intellektuell sehr weit entwickelt, emotional aber auf alterstypischem Niveau
    • Ständig kritisches Hinterfragen von Autoritäten
    • Wahl deutlich älterer Freunde
    • Sehr individualistisch
    • Tendenz, Situationen alleine bestimmen zu wollen
  • Auffälligkeiten in Kindergarten und Schule
    • Ständige Langeweile
    • Kein Interesse an altersgemäßen Beschäftigungen bzw. am Schulstoff der Jahrgangsstufe
    • Stören der anderen Kinder, um Aufmerksamkeit zu erlangen (Klassenclown)
    • Außenseiterposition, das Kind fühlt sich unverstanden
    • Gilt als Streber oder Besserwisser
    • Auffällig gute Noten (es gibt eine sehr starke Korrelation zwischen Intelligenz und Schulnoten, gleichwohl ist nicht jeder Hochbegabte ein guter Schüler und nicht jeder gute Schüler hochbegabt)
  • Auffälligkeiten in Bezug auf Lernen und Denken
    • Hohes Detailwissen und sehr gutes Verständnis von Zusammenhängen
    • Ungewöhnlich ausgeprägter Wortschatz und sprachlicher Ausdruck
    • Frühes Lesen
    • (Frühes) Interesse an Büchern, die weit über dem Altersniveau liegen
    • Bevorzugung selbstständiger Arbeit, hohe Ziele
  • Auffälligkeiten in Bezug auf Arbeitsverhalten und Interessen
    • Starke Vertiefung in bestimmte Probleme
    • Perfektionistische Ansprüche
    • Langeweile bis hin zu Arbeitsverweigerung bei Routineaufgaben

Von außen an ein Kind herangetragene Erwartungen können Einfluss darauf haben, ob das Kind als hochbegabt erkannt wird. So passen sich Mädchen ab einem Alter von ungefähr vier Jahren unter Umständen an geschlechterspezifische Erwartungen der Erzieherinnen und Spielkameraden an und verbergen ihre Fähigkeiten und Interessen, um soziale Akzeptanz zu erhalten. Realistische Leistungserwartungen, bei denen ein Erfolg möglich und kalkulierbar ist, motivieren Kinder hingegen zu größeren Anstrengungen.[7][8]

Hochbegabung und soziale Probleme

Hochbegabte haben im Durchschnitt weniger soziale Probleme als andere Menschen. Die verbreitete Annahme, dass Hochbegabte häufiger Defizite im Sozialverhalten aufweisen, hat möglicherweise ihren Ursprung darin, dass die Hochbegabung oftmals erst dann erkannt wird, wenn sich Probleme zeigen, und ansonsten unerkannt bleibt.

Dennoch können sich in bestimmten Fällen, bedingt durch die Hochbegabung, soziale Probleme entwickeln. Diese sind bei Kindern und Jugendlichen häufiger als bei Erwachsenen.[9] Besonders dann, wenn hochbegabte Menschen aufgrund ihres abweichenden Verhaltens sozial ausgegrenzt werden, kann ihr Selbstwertgefühl leiden, was in der Konsequenz eine hohe psychische Belastung erzeugt und die Entwicklung psychischer Probleme und Störungen, wie etwa reaktiver Depressionen, begünstigen kann.[10].

Vorliegende Eigenschaft Mögliche Konsequenzen
  • Hohe Auffassungsgabe und schnelles Verständnis neuer Informationen
  • Interesse an Problemlösungen
  • Ungeduld im Umgang mit anderen
  • Unterrichtsstörungen
  • Ablehnung von Routineaufgaben
  • Unterforderung
  • Tatendrang und Freude an Organisation
  • Dominantes Verhalten
  • Ignoriert Bedürfnisse anderer
  • Großer Wortschatz mit überdurchschnittlichem Vokabular
  • Großes Allgemeinwissen zu unterschiedlichen Themen
  • Neigung zu manipulativem Verhalten, evtl. Entwicklung narzisstischer Auslenkungen möglich.
  • Wird von Gleichaltrigen nicht verstanden, dadurch Ab-/Ausgrenzung und Langeweile
  • Unrealistisch hohe Erwartungen an andere
  • Fehleinschätzung anderer
  • Missachtet Strukturen der Gruppe

ADHS und Hochbegabung

Die Diskrepanz zwischen sehr hohem Leistungspotenzial und Aufmerksamkeitsdefizit verursacht häufig einen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen

Untersuchungen haben gezeigt, dass hohe intellektuelle Befähigungen im Durchschnitt nicht häufiger kombiniert mit der ADHS auftreten, eine hohe Intelligenz und ADHS schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus. Mit der zu erwartenden natürlichen Verteilungsstruktur von etwa 0,12% kombinierter Hochbegabter mit ADHS (4-6% ADHS, 2% IQ > 130) ist diese Kombination jedoch vermutlich selten. In einer US-amerikanischen Studie gehörte die Mehrzahl der Kinder mit ADHS und kombinierter Hochbegabung dem kombinierten ADHS-Subtyp an.[11]

Folgende Merkmale sind für die Kombination ADHS / Hochbegabung wesentlich:

  • Schnelle Auffassungsgabe bei langsamem Arbeitstempo.
  • Überdurchschnittlich hohe intellektuelle Entwicklung bei vergleichsweise geringer sozialer Entwicklung.
  • Hohes kreatives Niveau mit Problemen bei der Umsetzung.
  • Hoher Wissensdurst bei sehr geringer Anstrengungsbereitschaft, z.B. beim Lesen von Texten.
  • Schnelles Begreifen von Zusammenhängen, mit dem Gefühl, von anderen nicht verstanden zu werden.

Die Störungen in der Wahrnehmungsverarbeitung der ADHS-Betroffenen führen in der Kombination mit der Hochbegabung zu Diskrepanzerfahrungen, unter denen die Betroffenen leiden. Sind die Betroffenen aufgrund ihres hohen intellektuellen Potenzials und ihrer Befähigung zum Hyperfokussieren einerseits zu besonders hohen Leistungen fähig, hindern sie ihre Konzentrationsdefizite daran, ihre Potenziale dauerhaft und auf gleichbleibendem Leistungsniveau auszuschöpfen.

Die für die Hochbegabung typische schnelle Auffassungsgabe birgt gemeinsam mit dem für ADHS typischen langsamen Arbeitstempo und den divergenten Denkstrukturen sowohl im häuslichen wie auch schulischen Umfeld Konfliktpotenzial. Der oberflächliche Wahrnehmungsstil scheint für Außenstehende nicht mit der schnellen Auffassungsgabe zusammenzupassen, weshalb die Betroffenen oftmals als anmaßend, oder aufgrund ihres oftmals anekdotischen Wissens als „halbwissend-besserwisserisch“ angesehen werden.

Andererseits beinhaltet eine hohe Begabung jedoch auch das Potenzial, die ADHS-Symptomatik zumindest zeitweise und in Teilen kompensieren zu können. Dies kann sich dann nachteilhaft auswirken, wenn ein frühes Erkennen der ADHS durch das Kompensationsverhalten verhindert wird.

Jedoch kann eine verstärkte ADHS-Symptomatik auch das Vorhandensein besonderer Begabungen überdecken. Insbesondere beim sogenannten hypoaktiven Subtyp (vornehmlich unaufmerksamer Subtyp) kann eine nicht erkannte Hochbegabung zu einer Degenerierung der Intelligenz führen.[12] Wenn das Vorliegen einer Hochbegabung bekannt ist, so kann andererseits die unerkannte ADHS ein hohes Risiko für Fehlentwicklungen und einen nicht angemessenen Lebenslauf bergen.

Vor allem im schulischen Bereich sind Schwierigkeiten wahrscheinlich, wenn einerseits die Auffassungsgabe des Kindes überdurchschnittlich hoch zu sein scheint, mit dem Unterrichtstempo jedoch nicht Schritt gehalten werden kann. Da hochbegabte Kinder und Jugendliche mit ADHS aufgrund ihrer hohen Intelligenz und angesichts ihres augenscheinlich hohen Leistungspotenzials oftmals in die leistungsstärksten Schulklassen eingeteilt werden, ergeben sich für die Betroffenen schnell Schwierigkeiten, für die zunächst keine Gründe ersichtlich zu sein scheinen. Ein Wiederholen der Klassenstufe kann vermieden werden, indem das hochbegabte Kind im laufenden Schuljahr in eine weniger leistungsstarke Schulklasse mit langsamerem Arbeitstempo versetzt wird.

Auch sind symptomatische Überlappungen zwischen der Hochbegabung und den Symptomen der ADHS möglich. Für hochbegabte als vorrausschauend denkende und planende Kinder stellt eine unstrukturierte Umwelt einen ungleich höheren Stressfaktor dar. Wenn darüber hinaus niedrige kognitive Anforderungen bestehen und im sozialen Umfeld inkonsistente Umgangsformen vorherrschen, beispielsweise seitens der Eltern oder der Lehrer, so stellt dies für sie ein Risiko dar, Verhaltensauffälligkeiten (Aggressionen, Trotzreaktionen, Nervosität, träumen, trödeln, Verweigerung) zu entwickeln, die den Symptomen der ADHS ähnlich sind.[13] So können die einer Hyperaktivität gleichenden Verhaltensauffälligkeiten hochbegabter Kinder geringer werden oder ganz verschwinden, wenn angemessene Fördermaßnahmen ergriffen werden.[14]

Bei der Betreuung hochbegabter Kinder und Jugendlicher mit ADHS ist die soziale Integration aufgrund der vielseitigen Andersartigkeit oftmals schwierig. Ein tolerantes Umfeld, das sie so akzeptiert und unterstützt, wie sie sind, ist förderlich und auch notwendig. Spezifische Elterntrainings können hilfreich bei der Unterstützung von Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher sein. Hierbei bedarf es einer profunden Störungsbildkenntnis sowie der Kenntnis der speziellen Erfordernisse eines hochbegabten Kindes.

Unterschiede zwischen ADHS und Hochbegabung

Differenzialdiagnostisch sollte hinsichtlich einer möglichen ADHS als Primärdiagnose auch immer eine mögliche Hochbegabung ausgeschlossen werden, da die ADHS-Symptome mit eventuellen Verhaltensauffälligkeiten bei der Hochbegabung oftmals überlappend sind (s.o.).

Das zentrale Kriterium, das hochbegabte und aufmerksamkeitsgestörte Kinder unterscheidet, ist einerseits die Tiefe des Denkens und die Abstraktionsfähigkeit, zum anderen, dass Hochbegabte in der Regel dauerhaften geistigen Anstrengungen nicht abgeneigt sind, sondern begierig auch länger andauernde geistige Herausforderungen suchen. Dies betrifft insbesondere Aktivitäten, die für sie interessant sind.

Tabellarische Gegenüberstellung von Merkmalen aufmerksamkeitsgestörter und hochbegabter Kinder:[15]

ADHS Hochbegabung
Sprachentwicklung Auffälligkeiten im Sprechverhalten, insbesondere bei vorhandener Impulsivität. Frühe Entwicklung eines hohen Sprachverständnisses mit großem Wortschatz und differenzierter Ausdrucksweise, frühes Sprechen.
Lesen Lese-Rechtschreibschwäche häufig, ohne diese Teilleistungsstörung unauffälliges Lesen. Oftmals früher Lesebeginn, auch mit selbstständigem Lesefähigkeitserwerb vor der Einschulung. Hohe Merkfähigkeit gelesener Inhalte, hohe Lesegeschwindigkeit.
Schreiben Häufiger Lese-Rechtschreibschwäche, auch ohne diese Teilleistungsstörung gehäuft undeutliche Schrift, gelegentlich durch zusätzliche motorische Schwäche bedingt. Häufig frühes Schreiben, auch vor dem Schulbeginn. Später Spaß an Rätsel- und Wortspielen und hohe Schreibfreude.
Sensorik Gelegentlich Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen und taktilen Reizen (siehe auch: Hochsensibilität) Häufig sehr sensibel. Vermeidung von taktilen Reizen. Gelegentlich Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen.
Motorik Häufiger grob- und feinmotorische Entwicklungsverzögerungen. Oft sehr sportlich und ausdauernd, Sportarten mit hohem Tempo werden bevorzugt. Isolierte, besondere sportliche Begabung ist möglich. Leichte motorische Entwicklungsverzögerungen bleiben häufig unerkannt, da sie gut kompensiert werden können, dann manifestiert sich gelegentlich ein erheblicher Leidensdruck.
Soziale Fähigkeiten Bei Konflikten häufig wenig Fähigkeit zur Einsicht bezüglich der eigenen Beteiligung. Gelegentlich wenig Einfühlungsvermögen. Schwierigkeiten in größeren Gruppen. Aber auch oft große Hilfsbereitschaft (siehe auch: ADHS und Stärken). Oftmals ausgeprägte soziale Kompetenzen, hoher Gerechtigkeitssinn, soziales Engagement. Oftmals aber auch große soziale Anpassungsprobleme, Gefühl der Andersartigkeit. Selbstwertgefühl kann vermindert oder übersteigert sein. Häufig Kontakt mit deutlich Älteren.
Denkstil Oftmals besonders flexibel und kreativ, dann jedoch nicht immer geordnet und nachvollziehbar. Häufig oberflächlicher Denkstil. (siehe auch: Divergentes Denken). Flexibel und kreativ, logisch-divergent, oft lösungsorientiert.
Arbeitsorganisation Häufig inkonsistent, unübersichtlich, ungeordnet. Verlust des Überblicks über Arbeitsabläufe und Unkenntnis über Arbeitsvorgänge, deshalb oft schlechtere Leistungen als möglich wären. Oft sehr strukturiert und geordnet, oder auch chaotisch, die Ergebnisse sind jedoch aufgrund der hohen Arbeitseffizienz trotzdem häufig gut.
Sozialer Hintergrund Vorkommen in allen sozialen Schichten. Das soziale Umfeld kann einen erheblichen Einfluss auf den Ausprägungsgrad haben. Vorkommen in allen sozialen Schichten, Gefahr des Nicht-Erkennens von Hochbegabten in sozial schwachen Regionen.
Schwangerschaft und Geburt Häufiger Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen. Keine Auffälligkeiten.
Genetik Deutliche Beteiligung wahrscheinlich. Deutliche Beteiligung wahrscheinlich.
Geschlechtsabhängigkeit Jungen ca. 3-5 mal häufiger betroffen. Gleiche Geschlechterverteilung. Mädchen sind häufiger unerkannt.

Hyperaktive Verhaltensauffälligkeiten zeigen sich bei Hochbegabten insbesondere bei monotonen, unterfordernden Aufgaben, während sie bei anspruchsvollen Aufgaben meist konzentriert und ruhig arbeiten. Durchschnittlich begabte Kinder und Jugendliche mit ADHS werden mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad unruhiger und unkonzentrierter.[16] Weiter sind Hochbegabte nach Unterbrechungen meist schnell wieder zur Aufgabenbearbeitung bereit, während ADHS-Betroffenen die Wiederaufnahme der Bearbeitung meist sehr schwerfällt.

Fehldiagnosen der ADHS bei hochbegabten Kindern und Jugendlichen

Siehe auch: Fehldiagnosen
Bezüglich der Häufigkeit von Fehldiagnosen von ADHS bei hochbegabten Menschen liegen gegenwärtig wenige[17] bis keine zuverlässigen Untersuchungen vor (2013). Hinsichtlich einer anhaltend unterfordernden Lernumwelt kann allerdings bei hoch- oder weit überdurchschnittlich begabten Kindern und Jugendlichen mit Schwierigkeiten gerechnet werden. Reagieren hochbegabte Kinder und Jugendliche aufgrund anhaltender Unterforderung mit störenden Verhaltensauffälligkeiten, statt mit Anpassung und Resignation, so werden diese Reaktionen im schulischen Umfeld häufig mit häuslichen Erziehungsdefiziten oder ADHS assoziiert.[18] Das gemeinsame Auftreten von Auffälligkeiten des Sozialverhaltens und Störungen im Leistungsbereich begünstigt ein Aufkommen der Vermutung, dass die Probleme ursächlich auf eine mögliche ADHS zurückzuführen sind.

Dass Fehldiagnosen der ADHS vor allem bei Jungen zunehmend häufiger stattfinden, zeigte eine Studie aus dem Jahr 2012[19][20]. Die Studie trifft jedoch keine Aussagen über die Häufigkeit von ADHS-Fehldiagnosen bei hochbegabten Menschen. Die Konsequenzen falsch-positiver ADHS-Diagnosen können weitreichend sein. So erfolgt unter Umständen eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung einer nicht vorhandenen ADHS, während notwendige Interventionen zur Beseitigung der geistigen Unterforderung unterbleiben. Im weiteren entwickeln die Betroffenen ein Selbstkonzept auf der Basis einer nicht vorhandenen Störung mit entsprechenden Implikationen für die weitere Entwicklung.

Underachiever

Im Zusammenhang mit der Hochbegabung wird auch von sogenannten Minderleistern (engl. Underachiever) gesprochen, womit Menschen bezeichnet werden, die in ihren Leistungen unter ihren Möglichkeiten bleiben. So ist es möglich, dass eigentlich hochbegabte Menschen nur durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Leistungen erbringen, wobei die Ursachen nicht (wie bei der ADHS) neurobiologischer Genese sind. Dennoch sind die Ursachen für eine Minderleistung nicht eindeutig und singulär zu bestimmen. In Frage kommen jedoch beispielsweise Ursachen auf schulischer Seite (bspw. schlechte Unterrichtsqualität) oder familiärer Natur (Missbrauch, problematischer Erziehungsstil, überhöhte Leistungserwartungen).[21] Auch Depressionen oder negative Selbstkonzepte, deren Ursachen vielfältig sein können, können zum Underachievement beitragen. So ist bekannt, dass insbesondere höher begabte Menschen mit übersteigerten Leistungsansprüchen oftmals zum schnellen Aufgeben neigen, was sie zu Minderleistern prädestiniert. Solche potenziell zu hohen Leistungen fähige Kinder zeigen sich möglicherweise lustlos, desinteressiert, verträumt, aber auch sozial-emotional auffällig oder auch aggressiv. Minderleister zu erkennen, zu verstehen und aufzufangen ist eine besondere Problemstellung für alle Bezugspersonen in Kindergarten und Schule.

Kritik

Kritiker weisen darauf hin, dass es sich bei Hochbegabung, ähnlich wie beim Intelligenzbegriff, um ein Konstrukt handelt, das anhand von Messbarmachungen (Operationalisierungen) erschlossen wird und sich im Grunde nur an der kognitiven Leistungsfähigkeit orientiert, nicht aber etwaige Teilbegabungen in bestimmten Bereichen mitberücksichtigt. Die Hochbegabung sei somit möglicherweise nur ein Artefakt und nicht real existent. Andererseits konnten in Untersuchungen in den Gruppen der Hochbegabten durchaus bezeichnende Gemeinsamkeiten gefunden werden.[22]

Ferner wird oftmals die willkürliche Abgrenzung der Hochbegabung von der Normalbegabung kritisiert.[23] Demnach sei es nicht logisch nachvollziehbar, weshalb eine Hochbegabung beispielsweise ab einem gemessenen Intelligenzquotienten von über 130 vorliegen soll, und nicht etwa schon bei einem IQ von 120.

Film & Fernsehen

Tv.pngHochbegabung - Geschenk und Last (ARD Mediathek, 18.03.2016)

Literatur

  • Thilo Fitzner, Werner Stark, Genial, gestört, gelangweilt?: ADHS, Schule und Hochbegabung, Beltz Verlag, Auflage: 16. April 2012 ISBN: 978-3407221667
  • Birgit Trappmann-Korr, Hochsensitiv: Einfach anders und trotzdem ganz normal: Leben zwischen Hochbegabung und Reizüberflutung, Vak-Verlag; Auflage: 5 (August 2012), ISBN:978-3867310604
  • Manon Garcia, Hochbegabung bei Erwachsenen: Erkennen, akzeptieren und ausleben, Books on Demand; Auflage: 4. Auflage. (2. Dezember 2011), ISBN:978-3839199671
  • Bettina Mähler & Gerlinde Hofmann: Ist mein Kind hochbegabt? Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 1998, ISBN 3-499-60499-X
  • Plomin, R., & Price, T. S. (2003). The relationship between genetics and intelligence. In N. Colangelo & G. A. Davis (3rd Ed.) Handbook of Gifted Education (pp. 113-123). Pearson Education, Inc.
  • Franzis Preckel (Hrsg.): Diagnostik von Hochbegabung. Hogrefe, Göttingen 2010. ISBN 978-3-8017-2281-4
  • Sabine Rohrmann & Tim Rohrmann: Hochbegabte Kinder und Jugendliche. Diagnostik – Förderung – Beratung. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München 2010, ISBN 978-3-497-02189-5
  • Detlef H. Rost (Hrsg.): Hochbegabte und hochleistende Jugendliche. Neue Ergebnisse aus dem Marburger Hochbegabtenprojekt. Waxmann, Münster 2000, ISBN 3-89325-685-7
  • Aiga Stapf: Hochbegabte Kinder. Persönlichkeit, Entwicklung, Förderung. C. H. Beck, München 2009 (4. Aufl.).

Studien und wissenschaftliche Publikationen

Weitere interessante Artikel

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Quellen

  1. R. A. Weinberg, S. Scarr, I. D. Waldman: The Minnesota Transracial Adoption Study: A follow-up of IQ test performance at adolescence. In: Intelligence, 16, 1992, S. 117–135
  2. http://www.zentrales-adhs-netz.de/uploads/media/Fehlinformationen_der_Presse_zur_ADHS_Mrz_01.pdf
  3. http://www.dghk.de/hochbegabung
  4. http://www.hbf-ev.de/index.php?id=25
  5. David G. Myers: Psychology. Worth Publishers, 2010, S. 423
  6. Vgl. Wikipedia - Hochbegabung / Indizien
  7. https://www.familienhandbuch.de/erziehungsfragen/erziehungsfragen-im-kindergartenalter/wie-eltern-hoch-begabte-kinder-fordern-konnen
  8. http://de.wikipedia.org/wiki/Hochbegabung#Indizien
  9. http://tinyurl.com/ptltuux
  10. http://www.hbf-ev.de/index.php?id=28
  11. "NIMH - Is attention deficit hyperactivity disorder a valid diagnosis in the presence of high IQ? Results from the MGH Longitudinal Family Studies of ADHD."
  12. http://tinyurl.com/nqtw6wg
  13. http://tinyurl.com/oyz333g
  14. http://tinyurl.com/nqtw6wg
  15. Vgl. http://www.praxis-drbachmann.de/media/Bachmann_ADHS_Hochbegabung_06.pdf
  16. http://preview.tinyurl.com/pucpdcf
  17. Beispielsweise: http://maartenn.home.xs4all.nl/test.tri-energetics.net/publications/Giftedness%20and%20ADHD%20final.pdf
  18. http://tinyurl.com/nqtw6wg
  19. http://www.lauth-schlottke.de/adhs-infodienst/haufige-fehldiagnosen-bei-adhs/
  20. http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=buy.optionToBuy&id=2011-30100-001
  21. http://tinyurl.com/pga2meb
  22. http://tinyurl.com/q4zg9k7
  23. http://m.dms-schule.bildung.hessen.de/allgemeines/begabung/Marburger_Hochbegabtenprojekt/MHP_Brand_1.pdf