Baseballprofi Shane Victorino in einer US-amerikanischen Pharmakampagne zu ADHS
Es findet sich eine Vielzahl an prominenten Betroffenen mit ADHS-Diagnose, die trotz ihrer ADHS-Symptomatik erfolgreich wurden oder sind. Ein Großteil ist in künstlerischen oder sportlichen Bereichen erfolgreich. Aufgrund der dort höheren gesellschaftlichen Akzeptanz sowie der vergleichsweise starken Werbe- und Medienpräsenz der ADHS treten in den USA mehr Betroffene an die Öffentlichkeit, als in Deutschland und Europa. Obwohl in der Selbsthilfeliteratur oftmals postuliert, ist ADHS kein Prädiktor für Erfolg oder besondere Leitstungen. Das mittlere Leistungsvermögen von Menschen ohne ADHS-Symptomatik liegt – im Gegenteil – höher. Hochleistende Menschen mit kompensierten psychischen Störungen stellen eine Minderheit dar. Dennoch werden immer wieder spezifische Ressourcen und Stärken diskutiert, die in einem Zusammenhang mit ADHS gesehen werden, darunter zum Beispiel Kreativität.
Relevanz für Betroffene
Patienten kann das Wissen, das erfolgreiche Vorbilder existieren, die von derselben Einschränkung betroffen sind, ermöglichen, eine optimistischere Perspektive auf das eigene Leben zu entwickeln (→ siehe auch: Coping bei ADHS). Der Universitätsprofessor Volker Faust kommentierte in diesem Zusammenhang:[1]
„Man kann die Pathographien berühmter Frauen und Männer aus verschiedenen Gründen studieren: wissenschaftliches Interesse, Neugier, Schadenfreude, Trost, Ermunterung u. a. Für den Psychiater sind sie auf jeden Fall eine gute Argumentierhilfe. Denn man kann offenbar Bedeutendes leisten, obgleich man mit seiner seelischen Krankheit vom Schicksal schwer beeinträchtigt wurde.“
— Volker Faust
Situation in Deutschland
Nur selten treten deutsche ADHS-Betroffene, wie der rheinland-pfälzische Schriftsteller Sascha Kniel[2], Profi-Boxer Sven Ottke[3] oder der Moderator Benjamin von Stuckrad-Barre[4] mit ihrer Diagnose an die Öffentlichkeit. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Diagnose ADHS im deutschsprachigen Raum bislang kein zuträgliches Image anhaftet; andererseits haben pharmazeutische Firmen aufgrund des Werbeverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur eingeschränkte Möglichkeiten, Prominente zu Werbezwecken einzusetzen.
Christopher Lauer
Der deutsche Politiker Christopher Lauer bekannte sich im Jahr 2012 in der Talksendung Markus Lanz sowie in einem Beitrag der FAZ[5] und seiner privaten Homepage dazu, ADHS-Betroffener zu sein. Diese sei ihm 2011 im Erwachsenenalter diagnostiziert worden. Bei Markus Lanz gab er zudem an, bedarfsweise auch Medikamente einzunehmen. Darüber hinaus nahm Lauer im Rahmen eines TV-Interviews Stellung zu seiner ADHS-Diagnose, wobei er die von ihm als solche wahrgenommenen Vorteile, welche er auf die Störung zurückführt, herausstellte. Dabei gab er an, dass seine ADHS ihm ermögliche, Reize assoziativer verarbeiten sowie schneller Schlüsse ziehen zu können. Immer wieder fordert Lauer Betroffene dazu auf, sich vermehrt mit den positiven Aspekten der ADHS auseinanderzusetzen.[6]
„Von Kindheit auf ist bei mir so eine natürliche Grundübersteigertheit angelegt. Ich konnte früher nicht mal ins Kino gehen, ohne dass meine Beine angefangen haben zu kitzeln, ich konnte nicht still sitzen. Ich habe oft nur getrunken, damit ich endlich ruhig wurde, und auch Drogen hatten bei mir diese beruhigende Wirkung, merkwürdigerweise. Wenn ich dann total breit war und eben Ruhe fand, dachten viele, sie träfen mich zum ersten Mal nüchtern".
Eckart von Hirschhausen gab in einem offenen Bekennerschreiben bekannt, dass er mit einer leichten Form der ADHS diagnostiziert ist.
Eckart von Hirschhausen
Der deutsche Arzt, Autor und Kabarettist Eckart von Hirschhausen kommentierte im Rahmen eines offenen Bekennerschreibens, er sehe deutliche positive Zusammenhänge zwischen seiner Karriere und seiner ADHS-Betroffenheit. Er selbst leide an einer milden Form des vornehmlichen unaufmerksamen ADHS-Subtyps. Wie auch Christopher Lauer ist er der Auffassung, dass die mit ADHS oftmals einhergehenden divergenten und assoziativen Denkmuster eine Ressource sein können:
„Heute keine Kolumne. Sondern ein Bekennerbrief zur Aufmerksamkeitsstörung – Attention deficit disorder. Nicht verbunden mit Hyperaktivität, nur im Kopf. Ich hab das. In milder Form. Und ich lebe sehr gut damit. Ich lebe sogar davon. Denn ohne meine sprunghafte Aufmerksamkeit wäre ich nie Komiker geworden. Und viele meiner Komikerkollegen auch nicht [...] 'Das Reh springt hoch, das Reh springt weit – warum auch nicht, es hat ja Zeit!'. Komik springt um die Ecke. Und um auf so etwas zu kommen, braucht man eine gelockerte Assoziationsfähigkeit. Ist sie viel zu locker, landet man in einer Geschlossenen, ist sie aber nur ein bisschen locker, lockert der Umgang damit andere auf, sie lachen und sind sehr dankbar dafür. Und man selbst auch, denn zum Schalterbeamten hätte man es nie im Leben bringen können [...] Schwer haben wir geistig Hyperaktiven es nur, wenn etwas ernsthaft von uns verlangt wird: still sitzen, über Stunden uns mit nur einem Thema beschäftigen oder aber übers Leben mit nur einem Job oder Partner. Das Schwerste ist Pläne einhalten. Pünktlich abgeben oder abheben“.[8]
— Eckart von Hirschhausen
Kathrin Weßling
Im Jahr 2016 trat auch die deutsche Schriftstellerin Kathrin Weßling mit ihrer ADHS-Diagnose an die Öffentlichkeit, [9] nachdem sie sich bereits über verschiedene Kanäle zu ihrer Depression geäußert hatte.[10] In ihrem Blog erklärte sie, die Diagnosestellung und die mit ihr verbundenen Behandlungsmöglichkeiten bedeuteten eine große Erleichterung für sie:
„Ich kann nicht stillsitzen und mein Kopf kann es auch nicht. Meine Gedanken sind manchmal schneller als meine Gedanken [sic!]. Und ich könnte jetzt noch lange so weiterschreiben – darüber, wie es sich anfühlt, eine Starkstromleitung im Kopf zu haben. Ständig zu denken und nie aufhören zu können. Sich zu verlaufen im eigenen Kopf, mit Kleinigkeiten überfordert zu sein, aber absurd komplexe Dinge gleichzeitig lösen zu können. So geht es mir, seit ich denken kann. Und irgendwann vor ein paar Monaten hätte ich meinen Kopf am liebsten nur noch gegen eine Wand geschlagen, wollte nur noch Ruhe, konnte aber keine finden. Und um das Ganze abzukürzen: Nach sehr qualvollen Monaten und einigen nicht sehr schönen Versuchen, mir selber Linderung zu verschaffen, habe ich mich schließlich endlich doch testen lassen. Und zwar auf ADHS (...) Ich erfahre nun nach und nach, warum all diese Dinge so sind, wie sie sind. Warum ADHS bei Frauen so spät erkannt wird. Warum es unbehandelt zu Depressionen, Suchterkrankungen und allerlei anderem führt. Wie ein Leben damit funktionieren kann. Und aber auch ganz langsam, nach und nach, wie MEIN Leben damit funktionieren kann“.[11]
— Kathrin Weßling
Nadja „Naddel“ abd el Farrag
Nadja abd el Farrag (mittig) mit Schuldnerberater Peter Zwegat (links) und Psychologin Adelheid Gromberg (rechts) im inszenierten Setting eines psychoedukativen Gesprächs. Das Bild entstammt der Sendung Raus aus den Schulden, die am 14. Dezember 2016 auf dem Sender RTL ausgestrahlt wurde. In dieser wurde öffentlich, dass abd el Farrag neben finanziellen Problemen auch unter einer Erwachsenen-ADHS leidet.
Am 14. Dezember 2016 hatte die Fernsehmoderatorin und Sängerin Nadja abd el Farrag in der TV-Sendung Raus aus den Schulden (RTL) einen Auftritt. Die Psychologin Adelheid Gromberg[12] hatte abd el Farrag zuvor - auf den Rat von Schuldnerberater Zwegat hin - einer psychologischen Untersuchung unterzogen, mit dem Ergebnis einer ADHS im Erwachsenenalter.[13] Zu dem Verdacht sei Psychologin Gromberg gekommen, nachdem sie weder „irgendwelche anderen Erkrankungen, noch eine Suchterkrankung, eine Esstörrung, oder ähnliches in der Art“ habe feststellen können.[14] Ein Jahr zuvor hatte abd el Farrag jedoch bekanntgegeben, dass sie an einer Alkoholabhängigkeit erkrankt sei.[15]
Gromberg kommentierte weiter, dass sich zahlreiche Fehlentscheidungen und Misserfolge in abd el Farrags Leben mit der Diagnose ADHS erklären ließen. Es ließen sich bei ihr auch in der frühen Kindheit Hinweise auf ADHS finden. Abd el Farrag bestätigte diese Sichtweise für sich. Sie plane, sich neurologisch behandeln zu lassen.
Jan Ullrich
Im August 2018 bekannte sich der Profi-Radrennfahrer dazu, an ADHS erkrankt zu sein.[16] Ulrich gab an, er habe „rund um die Uhr zu viel Energie im Körper und könne in drei Wochen eine neue Sprache lernen“, wenn er dies wolle. Er schlafe nachts nur zwei Stunden und müsse eigentlich ein Medikament nehmen, das jedoch „dem Körper schade“. Er nehme dieses daher nur im Notfall ein. Zum Abbau von Stress habe er sich einen Boxtrainer engagiert.
Internationale Prominenz
Maroon 5-Sänger, Gitarrist und Schauspieler Adam Levine in der US-amerikanischen Pharmakampagne „Own Your ADHD"
Kommentare von international bekannten Prominenten zu ADHS
In einem Interview informierte der US-amerikanische Rapper und Hip-Hop-Produzent Will.I.Am (William James Adams) humorvoll über seine ADHS:[17]
„Ich habe ADHS. Ich gebe es zu. Habt ihr auch von dem Streit zwischen dem Elefanten und dem Gorilla gehört? Sorry, das war mal wieder meine ADHS. Während ich versuche, mich auf etwas zu konzentrieren, habe ich all dieses Zeug gleichzeitig in meinem Kopf und ich kann die Dinge nicht langsamer angehen oder einfach aufhören. Aber das ist in Ordnung, weil ich damit zurechtkomme".
„Wenn man mich persönlich trifft, bin ich wohl noch etwas anders [als sonst]. Ich habe ADHS, deshalb sind meine Gedanken überall gleichzeitig und ich habe ständig neue, verrrückte Ideen. Aber ich bin extrem freundlich zu allen die ich treffe, ich hoffe auch meine Kritiker treffen mich mal, ich bin mir sicher, sie würden ihre Meinung über mich ändern".
Der vom Pharmaunternehmen Shire plc gesponserte Sänger Adam Levine (Maroon 5) im Jahr 2014:[19]
„ADHS kann kompliziert sein. Als Kind wusste ich nicht wirklich, was mit mir los war. Als Erwachsener lernte ich, meine Symptome zu akzeptieren. Wenn junge Erwachsene davon ausgehen, dass ihre ADHS-Symptome sich bald auswachsen - ja, das kann möglich sein. Auf der anderen Seite sollte man auch nicht zu verlegen sein, zum Arzt zu gehen, wenn die Symptome bleiben und Probleme machen".
David Neeleman, CEO der US-amerikanischen Fluggesellschaft Jetblue Airways:
„Wenn jemand kommen und sagen würde, dass ich jetzt sofort die Wahl zwischen 'normal sein' und ADHS habe, würde ich ADHS wählen. Ich nehme erst gar keine Medikamente, denn am Ende gefällt mir dieser Zustand doch zu gut und ich bin wie alle anderen“.[20][21]
Fälle von Stimulanzienmissbrauch
Doping-Fälle der US-amerikanischen Major League
Im Jahr 2009 wurde bekannt, dass 8 % aller der US-amerikanischen Major League angehörigen Baseballspieler mit ADHS diagnostiziert sind. Dies würde eine drei- bis achtmal höhere Prävalenz gegenüber der US-amerikanischen Erwachsenenbevölkerung bedeuten. Die innerhalb eines Jahres um ein Vierfaches gestiegenen ADHS-Diagnosen fielen mit dem im Jahr 2006 verabschiedeten Stimulanzienverbot zusammen, weshalb vermutet wurde, dass einige Spieler ADHS-Symptome vortäuschten, um von dem Verbot freigestellt zu werden.[22]
Adam Rose und Adderall-Missbrauchsvorwürfe der WWE
2016 wurde der US-amerikanische Profi-Wrestler Adam Rose für 60 Tage aus der WWE suspendiert, da ihm vorgeworfen wurde, mit der Einnahme des Psychostimulans Adderall, welches ihm von einem Arzt zur Behandlung seiner ADHS verschrieben wurde, gegen die Dopingregelungen verstoßen zu haben.[23]
Prominente im Marketing der pharmazeutischen Industrie
Im Rahmen einer US-amerikanischen Pharmakampagne (Own Your ADHD), die sich an eine Erwachsenenzielgruppe richtet und vom Pharmahersteller Shire finanziert wird, bekennen sich diverse prominente Sportler und in den US-Medien bekannte Persönlichkeiten zu ihrer ADHS[24]. In den USA dürfen Pharmakonzerne direkt und unbeschränkt beim potentiellen Konsumenten für verschreibungspflichtige Medikamente werben. In Deutschland ist diese Praxis gesetzlich verboten.[25] Pharmagesponserte, sogenannte Awareness-Kampagnen, die kein charakteristisches Werbekampagnen-Design haben, gibt es jedoch auch in Deutschland und Europa, beispielsweise die vom Pharmahersteller Shire plc initiierte Kampagne ADHS und Zukunftsträume.[26][27][28][29]
In den USA setzt das Unternehmen Shire plc Prominente ein, um für die eigenen Arzneimittel zu werben. In einem Werbespot aus dem Jahr 2008, der sich an die Erwachsenenzielgruppe richtet, gibt der ADHS-diagnostizierte TV-Moderator Ty Pennington an, das Präparat Adderall XR habe „buchstäblich sein Leben verändert" und ihm „zu mehr Selbstewusstsein verholfen".[30]
Albert Einstein (* 14. März 1879; † 18. April 1955) als Jugendlicher: Verstorbenen Personen der Zeitgeschichte werden post mortem häufig spezifische psychiatrische Diagnosen zugeschrieben. Insbesondere die Diagnose ADHS oder Störungen aus dem Autismus-Spektrum werden (unter der Prämisse einer extremen Hochbegabung) in Bezug auf Albert Einstein besonders häufig genannt.[31]
Eine seriöse Stellung einer psychiatrischen Störung wie ADHS ist – mit aktuell zur Verfügung stehenden Mitteln – post mortem nicht möglich, da das Gros der Datenerhebung durch eine aktive Teilnahme des Patienten am diagnostischen Prozess geschehen muss. Dennoch finden sich in der Selbsthilfe-Literatur sowie in den Massenmedien gelegentlich Verweise auf verstorbene Persönlichkeiten, denen ADHS-Symptome zugeschrieben werden.[32][33][34] Häufig genannt werden dabei beispielsweise Albert Einstein, Vincent Van Gogh[35] oder Hermann Hesse[36], obgleich diese sich seinerzeit keiner psychiatrischen Diagnostik unterzogen. Als weiteres Problem ergibt sich, dass zahlreiche Diagnosen – darunter auch ADHS – zu Lebzeiten vieler historischer Persönlichkeiten noch nicht bekannt (bzw. enger umschrieben oder empirisch erforscht) und daher auch nicht diagnostiziert worden waren.[37] So versuchte man, bestimmte psychiatrische Auffälligkeiten anderweitig zu erklären, zum Beispiel anhand der Beschreibung von Störungsbildern, die heute als komorbid oder als gänzlich überholt angesehen werden.
Expertenkonsens zu Vincent van Goghs psychiatrischer Diagnose (2016)
Dass Personen der Zeitgeschichte, die in ihrem Verhalten von sozialen Normen abzuweichen schienen oder offensichtlich unter psychischen Problemen litten, nach deren Tod spezifische psychiatrische Diagnosen zugeschrieben werden, kommt relativ häufig vor. Die Diffusität, welche solchen Spekulationen bisweilen folgt, lässt sich am Beispiel Vincent van Goghs veranschaulichen: Neben ADHS[35] werden diesem — auch in wissenschaftlichen Publikationen – unter anderem Borderline-Persönlichkeitsstörung, Angststörung, Autismus-Spektrum-Störung, depressive Störungen, Hypomanie oder paranoide Schizophrenie zugeschrieben.[38] Anlässlich dieser Unklarheiten wurde 2016 in Amsterdam eine zweitägige Konferenz mit mehr als 30 Medizinern und Kunsthistorikern einberufen, welche zum Ziel hatte, eine eindeutige Diagnose („to determine a 'definitive' medical diagnosis“) für van Gogh zu ermitteln.[39][40] Es wurde konsentiert, dass für van Gogh keine eindeutige Diagnose zu ermitteln sei. Seine psychischen Probleme mögen eher „multikausal“ durch die Kombination einer mutmaßlichen Alkoholkrankheit und hoher Arbeitsbelastung sowie Schlaf- und Beziehungsprobleme zu erklären gewesen sein, welche vermutlich von wiederkehrenden psychotischen Episoden begleitet worden waren.[40] Medizinethik-Professor Arko Oderwald, Diskussionsleiter der Konferenz, kommentierte gegenüber dem Daily Telegraph im Anschluss, dass van Gogh lediglich „schwierige Charakterzüge“ aufgewiesen, nicht aber an einer Erkrankung gelitten habe: „Yes, he had difficult character traits, but it wasn’t a disease“.[41]
Schlagzeilen um Leonardo da Vinci (2019)
Im Jahr 2019 veröffentlichte der britische Neurowissenschaftler Marco Catani ein Paper, in dem er (innerhalb eines kurzen Abschnitts) zur Diskussion stellt, ob der vor fünfhundert Jahren verstorbene Universalgelehrte Leonardo da Vinci an ADHS erkrankt gewesen sein könnte.[42][43] Literaturgeschichtlichen Beobachtungen zufolge sei da Vinci von einer Lese- und Rechtschreibstörung betroffen gewesen, habe seine Vorhaben häufig nicht fertiggestellt und sei möglicherweise „rechtshemispärisch“ veranlagt gewesen. Seine technischen Konzepte und Ideen seien von Zeitgenossen nicht ernstgenommen worden, da sie als unrealistisch oder untauglich angesehen wurden. Dennoch wurde da Vinci im Zusammenhang mit seinen kreativen Leistungen zu einer historischen Ikone. Bei diesen Beobachtungen handle es sich um Charakteristika, die häufig in Zusammenhang mit ADHS zu beobachten seien.
In einem Newsletter, der vom King's College London veröffentlicht wurde, drückte sich Catani folgendermaßen aus:[44]
„Es ist zwar eigentlich nicht möglich, jemandem, der vor 500 Jahren gelebt hat, eine Diagnose zu stellen, aber ich bin überzeugt, dass ADHS die wissenschaftlich plausibelste Erklärung darstellt, warum Leonardo Schwierigkeiten bei der Fertigstellung seiner Werke hatte.“
„Die meisten Erwachsenen, die ich in meiner Klinik sehe, waren kluge, intuitive Kinder, entwickeln aber später im Leben Symptome von Angstzuständen und Depressionen, weil sie ihr Potenzial nicht ausgeschöpft haben.“
„Ich hoffe, dass sein Fall zeigt, dass ADHS nicht mit einem niedrigen IQ oder mangelnder Kreativität zusammenhängt, sondern mit der Schwierigkeit, die eigenen Talente zu nutzen. Ich würde mich freuen, wenn Leonardos Vermächtnis uns dabei helfen könnte, das Stigma im Zusammenhang mit ADHS zu ändern.“
Falschwiedergaben in den Medien
Medienartikel, welche die Publikation von Catani aufgriffen, beinhalteten teils angebliche Aussagen desselben, die in den Originalquellen[45][46] nicht zu finden sind, darunter:
„Leonardo war sehr modern. Er ist den heutigen Menschen sehr ähnlich, die mit dieser Modernität zu kämpfen haben, die mit Technologie, dem Internet verbunden sind. Wir werden mit Nachrichten bombardiert und müssen in der Lage sein, unsere Aufmerksamkeit bewusst auf etwas zu richten.“[47]
Wissenschaftliche Kritik an posthumen Diagnosen
Veröffentlichungen, die Vermutungen über mögliche psychiatrische Diagnosen bei Personen der Zeitgeschichte beinhalten, werden von Medizinhistorikern mitunter scharf kritisiert. So äußerte der US-amerikanische Neurologe Osamu Muramoto im Jahr 2014, dass sich Mediziner bisweilen als „Hobby-Historiker“ versuchten und dabei die erforderlichen methodologischen Forschungsrichtlinien missachteten.[48][49] Es handele sich um „wilde Spekulationen“. Bernd Roeck bezeichnete die Zuweisungen als „küchenpsychologisch“[50] Axel Karenberg sprach gegenüber wissenschaftlichen Journals die Empfehlung aus, derartige Paper abzulehnen.[51]
Liste deutscher Prominenter mit öffentlich bekannter ADHS-Diagnose
Andreas Wolff, Torwart der deutschen Handballnationalmannschaft[52]