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Ritalin-Sammelklagen

Aus ADHSpedia
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Das US-amerikanische Anwaltsbüro Waters & Kraus[1] war Initiator der Klagen

Bei den Ritalin-Sammelklagen (engl.: Ritalin class-action lawsuits) handelt es sich um eine Klageserie, die im Jahr 2000 in fünf US-Bundesstaaten (Kalifornien, Texas, Florida, New Jersey und Puerto Rico) vom US-amerikanischen Anwaltsbüro Waters & Kraus angestoßen wurde, mit dem Ziel, Schadenersatzansprüche in Milliardenhöhe geltend zu machen.[2]

Die Klageschrift besagt, dass der Pharmakonzern Ciba (Novartis) „vorsätzlich und fahrlässig die Diagnose ADHS sowie die Verkäufe von Ritalin durch Werbeliteratur und das Training seiner Verkaufsrepräsentanten in die Höhe treibe", wobei die Beklagten dabei Patienten, Ärzten und Schulen trotz Kenntnis „wichtige Informationen über die Nebenwirkungen und Gefahren von Methylphenidat vorenthalten und herunterspielen".

Ein weiterer Klagegegenstand war der Vorwurf, der Verband CHADD (Children and Adults with Attention Deficit/Hyperactivity Disorder) habe unter Beihilfe der American Psychiatric Association (APA) versucht, gesetzliche Beschränkungen zu lockern, um den Absatz von Ritalin zugunsten von Ciba/Novartis zu steigern.

Der als Psychiatriekritiker bekannte Peter Breggin war in mehreren Verfahren als Konsil auf Klägerseite tätig. Bis Ende 2002 wurden alle fünf Klagen abgewiesen oder zurückgezogen.[3]

Anklagepunkte

Peter Breggin unterstützte die Klägerparteien als medizinischer Beirat

Die Klageschrift besagt, dass Ciba/Novartis zur Steigerung des eigenen Ritalin-Absatzes in den nachfolgenden vier Schritten vorgegangen sein soll:[4]

  1. Ciba/Novartis gibt an, ein erheblicher Anteil von Kindern leide an ADHS, einer psychischen Störung, die angeblich mit Betäubungsmitteln behandelt werden müsse.
  2. Ciba/Novartis bewirbt Ritalin unzutreffender Weise als das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung ADHS-diagnostizierter Kinder.
  3. Ciba/Novartis leistet finanzielles Sponsoring an Organisationen wie den CHADD, um die Bekanntheit von ADHS zu steigern und eine (Über-) Diagnostizierung von ADHS zu erwirken.
  4. Es findet eine aufwändige Verbreitung von Werbematerial an Eltern, Schulen und andere interessierte Personen statt, um die Diagnosezahlen und folgerichtig den Ritalin-Absatz zu steigern.

Der APA wurde vorgeworfen, mit den anderen Angeklagten konspirativ zusammengearbeitet und finanzielle Zuwendungen von Ciba/Novartis und anderen Mitgliedern der pharmazeutischen Industrie erhalten zu haben.

Stellungnahmen von Novartis, der APA und dem CHADD

Ein Sprecher von Novartis nahm im Rahmen der Prozesse wie folgt Stellung:

Ritalin wird seit mehr als 40 Jahren effektiv und sicher in der Behandlung von ADHS-Patienten angewendet und ist das am besten untersuchte Medikament, das für die Behandlung von ADHS geeignet ist. Hyperaktivität wurde bereits früher und in den besten Fachblättern beschrieben. Und wir sind nicht die einzigen in diesem Markt. Wir glauben, solche Sammelklagen haben keinen Wert".

Eine Stellungnahme der American Psychiatric Association:

„Die Behauptung, die APA habe sich mit Novartis verschworen, ist absurd und absolut unwahr [...] Es existiert ein ganzer Berg an Belegen, die diese unbegründeten Anschuldigungen widerlegen".

Eine Sprecherin des CHADD:

Dass solch absurde Anschuldigungen ihren Weg vor Gericht gefunden haben, ist - abgesehen von der beträchtlichen Anzahl an Studien, die die Existenz der Störung belegen - nur ein Beispiel für die Feindseligkeit, der Menschen mit ADHS täglich ausgesetzt sind".

Ausgang der Verfahren

Richterin Hilda G. Tagle

Die Abweisung der ersten Klage erfolgte am 17. Oktober 2000 in Texas, die nächste Abweisung erfolgte am 23. April 2001 in Kalifornien. Da Richterin Rudi Brewster den Klägern die vordergründige Absicht der öffentlichen Kompromittierung von Ciba/Novartis unterstellte (SLAPP-Klage)[5], veranlasste sie die unmittelbare Abweisung der Klage unter Berufung auf das kalifornische Anti-SLAPP-Statut (425.16).[6]

Bis 2002 wurden alle fünf Anklagen abgewiesen oder zurückgezogen. Die Kläger wurden zur Übernahme sämtlicher Kostenaufwendungen von Novartis, APA und CHADD veranlasst. Nach dem Urteil des Gerichts waren „alle der vorgebrachten Anklagepunkte unbegründet", Richterin Hilda G. Tagle bezeichnete sämtliche Anschuldigungen als „vollkommen haltlos".[7][8][9]

Ciba/Novartis-Repräsentanten kommentierten im Anschluss:

„Die Tatsache, dass alle fünf Sammelklagen abgewiesen wurden, spricht eine klare Sprache hinsichtlich dessen, dass die Entscheidung darüber, wie ADHS zu behandeln ist, bei den Eltern, dem Patienten und dem behandelnden Arzt liegt und in einem Gerichtssaal nichts verloren hat. Diese jüngste Entscheidung des Gerichts zeigt ein weiteres Mal auf, dass diese und ähnliche Klagen lediglich eine Ideologie nähren sollen, die dem allgemeinen wissenschaftlichen und medizinischen Konsens entgegensteht".[10]

Konsequenzen

Mit den sich über Jahre verzögernden Verhandlungen ging eine weltweite und starke Medienresonanz einher. Neben Berichterstattungen über aktuelle Entwicklungen der Verhandlungen wurden diese zum Anlass genommen, die in Deutschland gerade neu entfachte ADHS-kritische Diskussion zu vertiefen. Die teils konspirativen Aspekte der Sammelklagen werden auch aktuell im Rahmen kritischer und kontroverser Diskussionen um das Thema ADHS immer wieder aufgegriffen (siehe auch: ADHS in den Medien).

Russell Barkley und 85 weitere internationale Fachkollegen (darunter u.a. Alan Zametkin und Joseph Biederman) reagierten mit einem Konsensus-Papier mit über 500 Referenzierungen, in welchem sie die Behauptung, ADHS sei eine erfundene Krankheit, scharf zurückwiesen.[11]

Ähnliche Fälle

  • Dem US-amerikanischen Psychiater Joseph Biederman wurde und wird vorgeworfen, seine Forschungsarbeiten und medizinischen Empfehlungen seien vor allem nach dem Interesse der Pharmaindustrie gerichtet. Im Jahr 2008 deckte eine Ermittlungskommision auf, dass Biederman gegenüber seinen Arbeitgebern, dem Harvard Medical University sowie dem Massachusetts General Hospital, externe Einkünfte von Pharmaunternehmen über insgesamt 1,6 Millionen US-Dollar verschwiegen hatte. Angegeben hatte er lediglich 200.000 US-Dollar.

Siehe auch

Weblinks

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Quellen

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