Mehr Sicherheit für ADHS-Patienten
Medikamenten-Ausweis nach § 4 Abs. 3 BtMG
Die MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG (kurz: MEDICE) ist ein mittelständisches, teilweise familiengeführtes Pharmaunternehmen mit Sitz in Iserlohn. Zu den wichtigsten und umsatzstärksten[1][2] Produkten des Unternehmens zählen die Methylphenidat-Präparate aus der Medikinet-Gruppe, mit denen das Unternehmen im Bereich der ADHS-Arzneimittel EU-weit marktführend ist.[3] Das für Kinder und Jugendliche verschreibungsfähige Medikinet wurde im Jahr 2000 eingeführt, 2005 folgte die Variante Medikinet retard. Zum Jahresende 2011 führte das Unternehmen mit dem Präparat Attentin in Deutschland erstmals ein Amfetamin-haltiges Fertigarzneimittel ein.[4] Noch im selben Jahr brachte MEDICE auch das Präparat Medikinet Adult auf den deutschen Markt, wodurch Methylphenidat erstmals auch für Erwachsene abrechnungsfähig wurde.[5]
Zum ADHS-Produktportfolio gehört neben den Methylphenidat-Präparaten aus der Medikinet-Gruppe auch ein Dexamphetamin-Präparat für Kinder und Jugendliche (Attentin). Laut eigenen Angaben verfügt die Firma MEDICE mit der Medikinet-Gruppe über einen Marktanteil von 80 %.[6]
MEDICE hat in Deutschland für die eigenen ADHS-Medikamente einen Marketing-Schwerpunkt. Neben Informationsbroschüren, welche an Arztpraxen ausgegeben oder direkt von der Firma bezogen werden können, betreibt das Unternehmen auch aufwändige, crossmediale Marketing-Kampagnen.
Im Internet lässt das Unternehmen für den Bereich der ADHS im Erwachsenenalter Anzeigen schalten, die auf eine firmeneigene Ratgeber-Seite führen.[7]
In Zusammenarbeit mit der Koblenzer Agentur Lehnstein wurde eine crossmediale, mehrteilige Kampagne gestaltet, die sich an die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen richtet.[8][9] Diese beinhaltet neben verschiedenen Arztpraxen-Broschüren[10][11] und den angeschlossenen Informationswebseiten ich-bin-ok.com[12] sowie adhs-infoportal.de[13] auch aufwändig gestaltete Videofilme.[14] Mit dem Künstler Dave de Bourg wurde ein exklusiver Kampagnen-Song aufgenommen. Die Kampagne ist durch eine differenzierende Stilisierung von ADHS durch deutlich hervorgehobene Affirmationen und entgegengesetzte Schwierigkeiten charakterisiert.[15] So lautet ein Motto: „ADHS - bringt Power und Probleme“.[16]
→ Siehe auch: Pharmamarketing und Vermarktung von ADHS-Medikamenten
Lehmkuhl, Resa-Thomas und Flötotto (MEZIS) berichteten im August 2014 detailliert über eine im März desselben Jahres stattgefundene, von der Ärztekammer Berlin zertifizierte Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Diagnostik und Therapie bei Erwachsenen mit ADHS“.[17] Die Fortbildung wurde von MEDICE gesponsert. Die Veranstaltung habe aufgrund der „fachlich häufig mangelhaften Inhalte“ und der inhaltlich starken Ausrichtung auf Produkte von MEDICE eher den Eindruck einer Werbeveranstaltung für das Präparat Medikinet, bzw. einer „Krankheitsbewusstmachungskampagne einer Firma in Zusammenhang mit der Markteinführung eines neu zugelassenen Präparates“ gemacht. Auffällig sei gewesen, dass die Referenten einerseits hinsichtlich der ADHS im Erwachsenenalter höhere Prävalenzen angegeben haben sollen, als üblicherweise in Studien und Fachliteratur genannt, wobei stets eine diagnostische Untererfassung (statt etwa einer möglichen Überdiagnostik) der ADHS vorausgesetzt worden sei; andererseits seien bedeutende Nebenwirkungen, einschränkende Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen in der Anwendung der Fachinformation-Medikinet[18] in wichtigen Teilen entweder ganz ausgelassen, oder aber nicht ernstgenommen oder bagatellisiert worden. Zudem seien bestimmte Nebenwirkungen auch schlichtweg als „positive Nebeneffekte“ dargestellt worden, wie etwa der häufige Appetit- und Gewichtsverlust bei Methylphenidat-Einnahme übergewichtiger Patienten. Das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial von Methylphenidat bei nicht bestimmungsgemäßer Applikation sei unerwähnt geblieben, die BtMG-Unterstellung der Substanz sei als „veraltet“ bezeichnet worden.
Darüber hinaus sei das „eindimensionale Bild vermittelt worden, ADHS sei ganz überwiegend genetisch determiniert und mit Fehlsteuerung des dopaminergen bzw. noradrenergen Systems assoziiert“, während die Medikinet-Fachinformation selbst angibt: „die spezifische Ätiologie dieses Syndroms ist unbekannt“.[19] Während dem Thema Pharmakotherapie ein Großteil der Vortragszeit eingeräumt worden sei, seien andere Therapieformen lediglich am Rande erwähnt worden. Die Nachrangigkeit der Pharmakotherapie im Rahmen der multimodalen Therapie, wie sie sowohl in den Therapieleitlinien, als auch in der Fachinformation definiert ist, sei unerwähnt geblieben.
Jene Fortbildung sei weder frei von wirtschaftlichen Interessen gewesen, noch habe sie „den Bestimmungen der ärztlichen Berufsordnung, dass ärztliche Fortbildung objektiv, evidenzbasiert und unabhängig sein soll, entsprochen“. Obgleich die Berufsordnung für Ärzte dies fordert (§ 32 Abs. 3),[20] sei von der Vertretung der Firma MEDICE vor oder bei der Durchführung der Veranstaltung nicht darauf hingewiesen worden, dass die Veranstaltung von dieser gesponsert und organisiert wurde. Auch seien etwaige Verflechtungen, Bedingungen und Interessenskonflikte der ärztlichen Referenten mit der Firma MEDICE in keiner Weise dargestellt worden.
MEDICE ist Stifter des 2003 eingeführten Kramer-Pollnow-Preises (KPP), Deutscher Forschungspreis für biologische Kinder- und Jugendpsychiatrie. Laut MEDICE stehte der KPP „für das Anliegen, hervorragende europaweite wissenschaftliche Leistungen im Bereich ADHS zu würdigen und zu weiteren Forschungen anzuregen“. Inhaltlich bestehe besonderes Interesse an einer Verbindung von biologischer und psychologisch-psychotherapeutischer Forschung.[21]
Folgende ADHS-Experten erhalten oder erhielten Zuwendungen von MEDICE: